Mittwoch, 27. Juli 2011

Chuckamuck - Wild For Adventure

Einfach ein dämliches Cover, einfache Musik, schlechte Aufnahme, seltsam naive Texte, ein selten blöder Band- sowie Albumname – unterm Strich steht mit Chuckamuck eine zu junge, deutsche Variante der frühen Black Lips vor uns. Wobei der Garagen-Punk-Sound hier wohl eher ungewollter in Richtung Rock’n’Roll als bei den oben genannten Pionieren. Eher kann man vielleicht damit rechnen, dass dieses Album ähnlich intuitiv entstand wie frühe Weezer-Glanztaten: Ein paar Jungs wollen Gitarre spielen und drücken sich einfach mal auf die Schnelle innerhalb einer halben Stunde und ein paar 2-Minuten-Songs aus.

Nach der Beschreibung oben könnte man die stolzen Berliner (so wirkt es wenigstens im selbstbetitelten Anmachsong „Chuckamuck“) also als ziemlichen Mist abstempeln, irgendsoeine durchschnittliche Krachband halt, nur das sie halt mal die Strömung nach Deutschland holen. Aber wenn man mal in die weite Vergangenheit kuckt haben die Monks Mitte der 60er auch nichts anderes mit Freakbeat gemacht. Und was soll man sagen: hier funktioniert es ähnlich gut wie vor 46 Jahren. Gleichzeitig schaffen sie es aber über typische Liebesthemen (ob jetzt Frauen oder Schokoriegel gemeint sind, ist ja egal) eine Art Texte zu schreiben, die jeglichen Konventionen widerspechen. So steckt hier hinter viel Schwachsinn auch oft noch viel mehr Schwachsinn, aber eben auch Ehrlichkeit.

Auch die englischsprachigen Lieder, die kein Mensch verstehen wird, waren sicher keiner schlechte Idee, aber 4 Mal hätte man sie nicht wiederholen sollen. Sie sind zwar allesamt energiegeladener als die deutschsprachigen Songs, aber bieten nicht annähernd, die Abwechslung zu der die Band fähig ist. Eine Orgel in „Heute traf ich Dan Treacy“ oder die Streicher in „Schlaf noch nich“ hat man zum Beispiel nach den ersten 9 Songs nicht erwartet und sogar der Opener „Eis am Stiel“ fällt mit der seltsamen Struktur aus dem Rahmen.

Keine Musik für Leute, die Anspruch brauchen, aber eine Ausnahmebeispiel für das, was Garage Punk außerhalb der USA werden kann. Jetzt noch ein Stück mehr Abwechslung und alles ist perfekt.

8/10
Punkte


erstellt von Leon.

Montag, 25. Juli 2011

Casper - XOXO (Review)

Nach K.I.Z. und Marteria ist Casper der nächste Rap-Act, der nicht nur von den Hip-Hop-Medien, sondern auch von großen Teilen der restlichen Presse reichlich (Vorschuss)lorbeeren kassiert. Wahlweise wird ihm dann die Rolle des Retters des Deutschraps oder der Part des intelligenten Gegenentwurfs zum derzeit in Deutschland vorherrschenden Gangster-Rap zugeschoben. Jedoch bleibt fest zu stellen, dass er weder eins von beiden ist, noch sein möchte. Nichts desto trotz betritt er mit "XOXO" für Deutschrap komplett neue musikalische Gebiete, was dazu führte, dass man in der stets hype-geilen Blogosphäre nun mit "Post-Hop" bereits schon wieder einen neuen Genre-Begriff aus dem Hut gezaubert hat.

Sicherlich sind die Instrumentals alles andere als normale Durchschnitts-Hip-Hop-Produktionen und auch Stimme, Flow und Themenauswahl des Neuberliners stechen aus der grauen Masse heraus, doch trotzdem kann man hier immer noch von Rap sprechen bzw. schreiben, wenn auch einem, bei dem definitiv neue Wege beschritten werden. Der erste Beleg dafür findet sich schon zu Beginn. "Der Druck steigt" basiert weder auf einem klassschen Boom Bap- noch einem moderneren Synthiebeat, sondern auf einer großartigen Post-Rock-Produktion, die sich perfekt mit dem ebenfalls großartigen Text zusammenfügt. Auch wenn die Lyrics keines Falls durchschnittlich sind, die Themen sind Klassiker. Was im Opener mit der Beschreibung der Situation der Jugend und dem Aufruf dazu, dem sich steigenden Druck freien Lauf zu lassen, beginnt, wird in nachfolgenden Songs durch Herzschmerz, Hilflosigkeit, Absturz und Eskapaden, ergänzt. Dinge die Jugend vieler häufig geprägt hat. So wird auch wieder der Unterschied zwischen Casper und der restlichen Rapszene deutlich, denn während der ein Großteil des Rests Crew- und Ghettorepresentation, Punchlines, überspitzte (fiktive) Storys oder Einblicke in den (angeblichen) persönlichen Reichtum serviert, liefert Casper persönliche Texte, die aber gleichzeitig auch als Beispiel für viele andere Existenzen taugen und allgemeingültige Probleme aufzeigen, sodass den Lyrics hohes Identifikationspotezial inne liegt.

Wenn man allerdings über Konflikte in Liebe und Jugend rappt, besteht die Gefahr des Kitsches natürlich besonders stark. Im Gegensatz zu vielen anderen MCs umkurvt er diese allerdings geschickt und tritt nur selten in Fettnäpfchen, indem er Standartzeilen vorträgt. Zudem trägt seine raue Stimme dazu bei, dass er trotz der Thematik nie in den nervigen Bereich der "Rumheulerei" gelangt. Letzter wichtiger Punkt im Bezug auf die lyrische Seite der Platte ist das Verzichten auf ein allgemein gängiges Storytelling, stattdessen bestehen die Raps meist aus assoziativen Sprachbildern, die auch nie versteift daherkommen und dem Hörer Platz lassen für eigene Interpretationen und das Entstehen zahlreicher geistiger Bilder.

Abseits der Raps und Texte bietet das Album aber auch musikalisch einiges. Wie vorhin erwähnt spielt Post-Rock eine große Rolle, aber auch Dubstep und Indierock dienen als Vorlagen für Instrumentals und auch das Klavier wird immer wieder hervorragend in die Tracks integriert.

Auch wenn "XOXO" als stimmungsvolles Ganzes überzeugt, so lassen sich einige Highlights nennen. Besonders das kraftvolle und leicht episch anmutende "Der Druck steigt" bleibt im Gedächtnis, ebenso die sehr berührenden und persönlichen "Kontrolle / Schlaf" und "Michael X", wobei sich letzterem um einen verstorbenen Freund Caspers dreht. Der denkwürdigste Moment des Albums ist aber eindeutig "Auf und davon". Ein erneut von Post-Rock geprägtes kraftvolles Instrumental auf dem Casper den Ausstieg aus der Monotonie des grauen Alltags thematisiert. Großartige sprachliche Bilder kombiniert mit einem tollen How to Dress Well-Sample.

Nach all dem Lob müssen natürlich auch die Negativpunkte genannt werden, wobei dies recht schnell erledigt sind. Neben den vorhin erwähnten sehr seltenen leicht kitschigen Stellen, sind es neben manchen Songelementen wie z.B. dem Text des Refrain im Titeltrack (übrigens von Tomte Frontmann Thees Uhlmann vorgetragen), nur 2 Songs, die für mich eher wie Filler anmuten, namentlich "Alaska" und "230409", die den Gesamteindruck etwas schwächen. Trotzdem ist „XOXO“ ein hervorragende, berührende Platte, die zeigt, was noch alles in Sachen (Deutsch-)Rap möglich ist und auch noch das Potenzial zum Wachsen hat, so dass die reichlichen Vorschusslorbeeren seitens Presse und Öffentlichkeit definitiv gerechtfertigt waren.

8/10 Punkte




erstellt von Markus.

Freitag, 22. Juli 2011

Alben des Monats: Juni 2011

Wenn man Indie sein will, muss man auch mal die AdM nach der Hälfte des nächsten Monats posten!

Leon:

Simple Minds – New Gold Dream (81-82-83-84)

Die Synthies und der Bass auf diesem letzten guten Simple Minds-Album türmen sich spielerisch auf und werden vom Fundament der treibenden Beats perfekt gestützt. Mit dem affektierten Gesang ist NGD ein Zeugnis einer Zeit, in der noch nicht Kommerz gerufen wurde, wenn eine Band ein Album voller tanzbarer Hits geschrieben haben.

Weezer – Weezer (Blaues Album)

„My Name Is Jonas“ zeigt eigentlich schon die ganze Qualität dieses Albums. Denn wenn Jungs mit Gitarren einen Popsong im ¾-Takt schreiben, hat irgendwer die verdammt noch mal richtige Idee gehabt und an denen mangelt es nicht.


Markus:

Big Boi - Sir Lucious Left Foot: The Son of Chico Dusty

Eigentlich ein Album, welches ich nach der letztjährigen Veröffentlichung als wenig überragend befand. Doch Fakt ist, mit jedem Hören bleibt ein Track mehr im Gedächtnis, bis einem über ein halbes Dutzend Hits den ganzen Tag über im Ohr klingen. Der Outkast-Head hat es hier geschafft Hip-Hop und Pop optimal zu verbinden. Ein Unterverfangen welches sonst zu unsäglichem weichgespülten Rap führt, der die Charts überflutet, hier aber mal eine erfreuliche Ausnahme darstellt.

V-Mann & Morlockk Dilemma - Hang Zur Dramatik

Wenn 2 sehr gute Künstler für eine LP aufeinandertreffen, ist es selten so, dass das Ergebnis ebenso gut ist wie man es von den Protagonisten erwartet hatte. "Hang zur Dramatik" hat mit solchen Zweifeln allerdings nichts zu tun. Selten gab es ein Duo welches so groaßartig zusammenpasste und auf Flow-, Text- und Beatebene so hervorragend mit einander harmonierte. Die Achse Leipzig-Berlin liefert hier ein Feuerwerk an dreckigem Sound und überspitzten Punchlines, garniert mit viel (schwarzem) Humor.

Sonntag, 17. Juli 2011

The Horrors - Skying (Review)

Man durfte gespannt auf "Skying" sein, denn die musikalische Richtung war alles andere als klar vorgegeben. Zu stark war da die vorangegegange Wende vom extravagaten Goth-Garage-Punk auf "Strange House" zum klangemalerischen "Primary Colours" welches Einflüsse aus Post-Punk, Psychedelia und Shoegaze verband. Welchen Stil kann man nun also vom 3. Album der Briten erwarten? Eine Rückkehr zu den Wurzeln auf der Suche nach Simplizität und der Flucht vor den hohen Erwartungen den der sowohl von Presse als auch Hörern hochgelobte Vorgänger geweckt hatte? Oder haben sie mit dem Zweitwerk ihre musikalische Heimat gefunden, oder experiementieren sie weiter und verzichten auf Genregrenzen?

Fakt ist, mit ihrem Debut hat "Skying" so gut wie gar nichts mehr zu tun. Nein, sei haben sich einer Vorliebe ergeben, die sich schon auf "Primary Colours" gezeigt hatte, nämlich einer für Synthesizer und Unmengen an Effekten. Herausgekommen ist diesmal ein Klangbild, welches zwar wenig mit Rock, dafür aber umso mehr mit Electronic gemein hat. In manchen Tracks wie z.B. "You Said" möchte man gar von Synthpop sprechen. Insgesamt ähnelt das Klangbild mit seinen vielen Effekten, Retro-Synths und seiner Verwaschenheit, sogar Chillwave-Acts wie Toro Y Moi und Washed Out. Nur dass The Horrors Hip-Hop Beats durch eine eher Rock orrientierte Rhythmusfraktion ersetzen.

Hin und wieder funktioniert das Ganze auch ziemlich gut. "You Said" ist ein wohlklingender Popsong und "Endless Blue" besticht durch seine sehr schönen Sounds. Allzu oft verliert sich die Band allerdings im dichten Klang und lässt jeden Druck und Richtung vermissen, so das vieles, besonders in der 2. Albumhälfte, uninteressant vor sich hinpluckert. Nett klingen tut es öfters, wirklich im Ohr hängen bleiben wie bei "Still Life" allerdings nur selten. Und um wirklich in das Soundbild hineinzutauchen, fehlt es ihm an Originalität. Letztendlich ist es Hörerlebnis, das nicht stört, aber auch keine Eindruck hinterlässt, auch wenn sich paar nette Nummern und Töne finden lassen.

5/10 Punkte




erstellt von Markus.

Freitag, 15. Juli 2011

Portugal. The Man - In The Mountain In The Cloud (Review)

Der Vertrag mit dem Warner-Tochterlabel Atlantic muss für Portugal. The Man tatsächlich ein Deal gewesen sein. Für all die Streicher, verschiedenen Synthies und Amps, die sie bekommen haben, haben sie halt ein Pop-Album geschrieben. Gleichzeitig kann man „In The Mountain In The Cloud“ aber auch einfach als Fortführung der Entwicklung Richtung Massentauglickheit sehen, die schon nach ihrem 3. Album „Censored Colors“ von 2008 begonnen hat. Wie man es auch sehen will: Eine erneute Neuerfindung ist ihnen nicht gelungen, aber so richtig das, was man von P.TM erwartet hat, ist es auch nicht geworden.

Das 6. Album der Bandgeschichte hört sich danach an als hätten sie ihre Vorbilder aus den 60ern – also Beatles, Beach Boys, Kinks – auseinander genommen und versucht das Chaos, das daraus und aus den Möglichkeiten entstanden war aufzuräumen indem sie ein bisschen Prog als Kleber dazu geben. Das hat auch gut funktioniert – auch weil sie die neuen Produktionsmittel zu ihrem Vorteil nutzen konnten.

Der Stil auf der neun Platte ist dabei immer noch genauso eindeutig wie auf dem Großteil der Vorgänger: Hier bekommt man sonnigen Psychedelic-Pop, der die typischen souligen Vocals enthält. Aber es hätte eben alles noch ein Stück besser funktioniert, wenn die Band das Fünkchen Prog wieder eingesetzt hätte um ähnliche Verbindungen zwischen den Songs wie bei „Satanic Satanist“ von 2009 herzustellen. Manche Sprünge von Song zu Song sind so nämlich schlecht nachzuvollziehen obwohl eigentlich jeder Song in das Album hineinpasst.

Gerade die Texte, die häufig eine religionskritische Note tragen, zeigen, dass hier immer noch eine Albumband vor einem steht. Aber auch ein Song wie das 2-teilige „Share With Me The Sun“, das die sonnige Atmosphäre des ganzen Albums im Namen trägt und sowohl in den ersten rockigeren und 60s-lastigeren als auch in den späteren, mehr von Folk-Rock inspirierten Teil - der Fans von David Bowie gefallen wird - passt, stellt diese Eigenschaft von P.TM nochmal heraus. Sogar so gegensetzliche Songs wie das dunkle „All Your Light (Times Like These)“ und das durchgehend euphorische „Everything You See (Kids Count Hallelujah)“ können sie durch ein krachiges Ende beim 2.-genannten Song und die mehrfachen Synthies von Ryan Neighbors, die sich als roter Faden durch das Album ziehen, miteinander vebinden.

Durch einen langwierigen und für ihre Verhältnisse sehr langen Aufnahmeprozess sind Portugal. The Man also mehr als jemals zuvor zu einer Popband geworden, schaffen es dabei aber durch das Folk-Prog-Meisterwerk „Sleep Forever“ gleichzeitig einen der besten Songs ihrer Karriere zu schreiben. Und Solos sind mal sowas von immer noch cool!

9/10 Punkte


erstellt von Leon.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Wir sind back! (Editorial)

Hallo Leser,

nach einem Monat des Wartens kommen wir wieder! Habt ihr uns vermisst? Ich will hier gar nicht lang rumschwafeln. Ich bin jetzt seit ein paar Wochen wieder aus Argentinien zurück und kann mich jetzt hoffentlich wieder auf den Blog konzentrieren. D.h. wir werden versuchen wenigstens euch das Sommerloch mit einigen Alben zu versüßen - dazu Thema kommt in absehbarer Zeit auch noch ein Halbjahresrückblick. Davor nehmen wir aber erstmal den ganz normalen Blogbetrieb wieder auf.

Viel Spaß beim Weiterlesen,
Leon.