Kaum wird es wärmer, wünscht man sich dank A Whisper In The Noise die Minusgrade wieder zurück. Eigentlich gibt es nämlich nur einen Ort für diese Platte: Ein Meter vor dem Ofen nachdem man sich durch die Kälte der Außenwelt gewühlt hat. Denn „To Forget“ taut auf, anders lässt es sich nicht beschreiben. Diese unterschwellige Wärme in der Stimme von West Thordson und Sonja Larson und die ins Sympathische schielenden Gitarren schmelzen neben dem Eis vor Geige und Piano auch den Menschen vor den Lautsprechern. Das Drumming muss da gar nicht mehr soviel dazutun wie noch auf „Dry Land“ vor 5 Jahren, weil die Eiswände viel dünner geworden sind und auch ein paar Schläge schon ausreichen sie zu durchbrechen.
Bei all der Melancholie und Traurigkeit haftet dem ganzen Album dieses Gefühl der Hoffnung an, das man so oft von Sigur Ròs hört. Das passiert mal durch das Echo, das in „A Sea Estranged Us“ die Welt öffnet oder halt den Ozean über den Sonja Larson führt; mal weil sich in „Sad, Sad Song“ alles anschmeichelt, was sich sonst verschließt und eine stoische Gitarrenmelodie das Gefühl aufkommen lässt ganz nah dran zu sein; mal durch die Zurückhaltung in „Your Hand“, die in den Außmaßen ganz neu ist für diese Band und mit mehr Personal als den beiden Hauptakteuren wohl nicht zustande gekommen wäre; oder halt ganz einfach durch „Of This Sorrow“, der einen Closer darstellt, der „True Love Will Find You In The End“ ins Gedächtnis ruft, der ähnlich versöhnlich als Ballade mit prominenter Akustikgitarre den Vorgänger beendet hat.
„Nette Musik“ zum Nebenbeihören können AWITN trotzdem einfach nicht schreiben. Viel zu sehr muss man darauf achten zwischen all den langsamen und leisen Passagen nicht verloren zu gehen. Nichts hier wird wirklich reihenweise Menschen in seinen Bann ziehen, aber gerade deswegen und wegen der Töne, die scheinbar zu wenig gespielt werden, drängt es sich auf das Album immer wieder zu hören - auch wenn man sich konzentrieren muss, damit sich hier nicht ungewollt die Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenkt. Aus der Stille und Behäbigkeit stürzen nämlich so oft Überraschungen wie bei Mark Hollis/Talk Talk und zeigen dann man hier nicht Unaufdringlichkeit mit Lahmarschigkeit verwechseln sollte.
Schade ist nur, dass auch die verstörenden Momente einer Auflockerung unterzogen worden sind und Songs wie „All My“ damit zwar immer noch irgendwie gruselig sind, aber nicht mehr schocken wie auf früheren Veröffentlichungen. Das hätte vielleicht nicht zum liebevollen Grundton gepasst, aber sogar auf der kurzen Spielzeit, die ohne Intro, Zwischenstücke und Field-Recording-Grillenzierpen nur gut eine halbe Stunde beträgt, kann man von A Whisper in the Noise eigentlich ein bisschen mehr Abwechslung erwrten.
8/10 Punkte
erstellt von Leon.
Dienstag, 28. Februar 2012
Samstag, 25. Februar 2012
A Place to Bury Strangers - Onwards To The Wall (Review)
Zweieinhalb Jahre sind seit ihrem letzten Langspieler vergangen, nun bringen die Brooklyner ihr erstes musikalisches Lebenzeichen seit der Tour EP "Ego Death" heraus. Wie erwartet gibt es erneut eine düstere Melange aus Shoegaze, Post-Punk und Noise Rock. Im Gegensatz zu "Exploding Head" dröhnt das Ergebnis allerdings deutlich weniger. Diesmal wird der Hörer nicht weg gefegt, sondern für 16 Minuten in ein kalten Klangkosmus entführt der sich anfühlt wie Metallfesslen. Packend aber unbequem. Der Feedback-Lärm und die Gitarrenwände des Vorgängers wurde runter gefahren, so dass die Noise-Elemente eher im Hintergund tönen.
Der Opener wird bestimmt durch kalte, harte Drums und einen markanten Basslauf bis der Track mit der Zeit immer weiter im Gitarren-Feedback versinkt und dabei eine tolle, dunkle Atmosphäre kreiert. "So Far Away" groovt für A Place To Bury Strangers Verhältnisse ziemlich cool, ein Eindruck der auch durch die Band-untypischen Handclaps verstärkt wird, und könnte auch in (Indie-)Clubs gespielt werden. Das Highlight der EP ist dann der Titeltrack, der gerade zu Beginn stark an Joy Division erinnert und dem es im weiteren Verlauf hervorragend gelingt eine düstere Stimmung zu schaffen. Die zwei nachfolgenden Stücke hinterlassen hingegen keinen allzu starken Eindruck, können jedoch trotzdem als ordentliches Material bezeichnet werden.
"Onwards To The Wall" ist ein durchaus gelungenes, kurzweiliges Werk, das besonders durch seine Atmosphäre überzeugen kann. Um als EP länger im Kopf zu bleiben, fehlen jedoch die herausragenden Songs und Hits. Doch auch so liegt eine gute Veröffentlichung vor, die den Appertit auf das nächste Album weckt.
7/10 Punkte
erstellt von Markus.
Kategorien:
Amerikaner,
Noise,
Post-Punk,
Shoegaze
Dienstag, 21. Februar 2012
Burial – Kindred EP (Review)
Es gibt nicht viele Künstler, die sich so große Abstände zwischen VÖs erlauben können wie Burial. Natürlich: zwischen Street Halo aus dem letzten Jahr und Kindred liegt nicht viel Zeit, aber sein letztes Album ist schon 5 Jahre her und auch im Moment ist kein neuer Langspieler in Sicht. Immer wieder nur EPs, diverse Kollabos und Projekte – so wirklich wusste bis jetzt ja auch niemand wie ein Nachfolger zu „Burial“ und „Untrue“ aussehen sollte damit es nicht wirkt wie Selbstkopie oder eine totale Blamage wird. Aber Burial zeigt mit „Kindred“ jetzt selbst auf wie es gehen könnte.
Dafür muss er sich nicht neu erfinden, denn eigentlich weiß man vom ersten Rauschen in den Boxen, das mit einem souligen Vokalsample unterlegt wird, wo man hier gelandet ist: der Opener Kindred zeigt alles, was man von William Bevan erwartet. Aber er macht da noch nicht Stopp und breitet sich als 12-minütige „Symphonie“ aus, die immer wieder in sich zusammenfällt um sich dann langsam wieder aufzubauen. Nacheinander verschwinden die Soundschichten bis immer wieder nur das Hintergrundrauschen da ist, das die Atmosphäre beherrscht. Dann kommt noch einmal diese starke Stimme, die ihr „Baby You“ immer wieder in die Gehörgänge der Zuhörer drischt bis dieser Beat wieder anfängt. Den hat man wahrscheinlich schon 1000 mal gehört, aber genau wegen der Erinnerung an andere Stücke, die schon fast genauso emotional und doch kalt waren wie „Kindred“ ist er so passend.
Danach kommt „Loner“ mit seinem Beat, der alles andere ist als Dubstep und gleichzeitig das Tanzbarste, was Burial uns je gegeben hat. Immer sind da diese Syntharpeggios und die tiefen Flächen und wollen dich wissen lassen, dass da wirklich „Something out there“ ist. Alles Bedrohliche, was Bevan in den letzten 5 Jahren erlebt hatte, scheint er auf diese 7 Minuten komprimiert zu haben und eigentlich müsste man jedem, der diesen Song hören will auch empfehlen sich vorher eine Packung Popcorn zu holen, damit diesem Track nicht reihenweise Fingernägel zum Opfer fallen.
Aber zum Glück kommt jetzt „Ashtray Wasp“, das wieder ablenkt von den Untiefen, die gerade durchschritten worden sind. Dabei hilft nur, dass es nicht wie „Kindred“ nach seinen „Breakdowns“ wieder ansetzt, wo es vorher aufgehört hat, sondern immer wieder so klingt als wäre da ein neuer Song bis er auf einem entspannten Ausklang auf einer Pianomelodie ändert.
Dreimal zeigt Burial hier also, was er aus seinem Sound noch rausholen kann ohne dass es langweilig wird und gibt der Außenwelt dabei so ganz nebenbei sowohl eine der besten Platten, die das Jahr bisher zu bieten hatte als auch 3 der besten Tracks, die man von ihm kennt. Bei 30 Minuten Spielzeit ist ihm außerdem fast schon ein Albumersatz gelungen. Fast.
9/10 Punkte
erstellt von Leon.
Dafür muss er sich nicht neu erfinden, denn eigentlich weiß man vom ersten Rauschen in den Boxen, das mit einem souligen Vokalsample unterlegt wird, wo man hier gelandet ist: der Opener Kindred zeigt alles, was man von William Bevan erwartet. Aber er macht da noch nicht Stopp und breitet sich als 12-minütige „Symphonie“ aus, die immer wieder in sich zusammenfällt um sich dann langsam wieder aufzubauen. Nacheinander verschwinden die Soundschichten bis immer wieder nur das Hintergrundrauschen da ist, das die Atmosphäre beherrscht. Dann kommt noch einmal diese starke Stimme, die ihr „Baby You“ immer wieder in die Gehörgänge der Zuhörer drischt bis dieser Beat wieder anfängt. Den hat man wahrscheinlich schon 1000 mal gehört, aber genau wegen der Erinnerung an andere Stücke, die schon fast genauso emotional und doch kalt waren wie „Kindred“ ist er so passend.
Danach kommt „Loner“ mit seinem Beat, der alles andere ist als Dubstep und gleichzeitig das Tanzbarste, was Burial uns je gegeben hat. Immer sind da diese Syntharpeggios und die tiefen Flächen und wollen dich wissen lassen, dass da wirklich „Something out there“ ist. Alles Bedrohliche, was Bevan in den letzten 5 Jahren erlebt hatte, scheint er auf diese 7 Minuten komprimiert zu haben und eigentlich müsste man jedem, der diesen Song hören will auch empfehlen sich vorher eine Packung Popcorn zu holen, damit diesem Track nicht reihenweise Fingernägel zum Opfer fallen.
Aber zum Glück kommt jetzt „Ashtray Wasp“, das wieder ablenkt von den Untiefen, die gerade durchschritten worden sind. Dabei hilft nur, dass es nicht wie „Kindred“ nach seinen „Breakdowns“ wieder ansetzt, wo es vorher aufgehört hat, sondern immer wieder so klingt als wäre da ein neuer Song bis er auf einem entspannten Ausklang auf einer Pianomelodie ändert.
Dreimal zeigt Burial hier also, was er aus seinem Sound noch rausholen kann ohne dass es langweilig wird und gibt der Außenwelt dabei so ganz nebenbei sowohl eine der besten Platten, die das Jahr bisher zu bieten hatte als auch 3 der besten Tracks, die man von ihm kennt. Bei 30 Minuten Spielzeit ist ihm außerdem fast schon ein Albumersatz gelungen. Fast.
9/10 Punkte
erstellt von Leon.
Kategorien:
Elektronische Musik,
England
Montag, 13. Februar 2012
Perfume Genius - Put Your Back N 2 It (Review)
Immer wieder gibt es Alben, die in der Lage sind dazu zu bewegen über Dinge nachzudenken, die in der Musikwelt eigentlich als Regel akzeptiert sind. Z.B. sollte man sein Instrument beherrschen (auch wenn man gerne so tun darf als würde man es nicht, Moldy Peaches), der Gesang sollte irgendwie zur Musik passen und eigentlich gibt es auch für jedes Genre eine Albumlänge, die man erwarten kann.
"Learning" von Perfume Genius machte aber einfach alles anders und war ehrlich schlecht eingespielt- und gesungen, grausig aufgenommen und als Album voller Pianoballaden nur 28 Minuten lang. Das Echo auf Mike Hadreas' Stimme steurte nochmal dazu bei, dass man seine irgendwie neben der Musik stehenden Texte - voll von Leuten, die dich erst in ihrem Truck kiffen lassen und sich danach von einem Hochhaus stürzen - eigentlich gar nicht verstand. Aber all das unterstrich nur die Naivität, Zerbrechlichkeit und Intimität des Albums. Alles das ist größtenteils wie weggeblasen auf "Put Your Back N 2 It" und ich rechtfertige meine lange Vorrede mal damit, dass sich ohne das Debüt wohl keiner für dieses Album interessieren würde.
Denn Mike Hadreas interessiert sich ja auch nicht mehr wirklich für andere. Das Alibi-"You", das er in fast allen Songs benutzt, ist nämlich einfach nur allgemein und spricht damit eigentlich wieder niemanden vor den Lautsprechern an, sondernerzählt von sich oder seinen Beziehungen - nur, dass diesmal keine Schicksale mehr direkt vorkommen und man nicht mehr erschüttert ist von den Geschichten. Das macht ihn weniger angreifbar aber verschließt auch seine Texte.
Da kann es nicht helfen, dass alles noch genau so traurig ist wie früher, weil es einfach nicht mehr wirkt, auch nicht mit den Synthieflächen aus "All Waters" oder der Herzschmerz-Melodie aus "Awol Marine". Denn auch die sind nicht mehr zerbrechlich, sondern stehen souverän eingespielt für den neuen Perfume Genius mit weniger Echo. Der ist aber leider nicht mehr naiv und intim und damit gibt es auch diesem Album einfach nur noch 12 einfache kleine hübsche Pianoballaden. Wer das mag, den wird es nicht stören, dass alles so normal ist und auch das Mitwirken von Gitarre und Schlagzeugeinsatz in "Take Me Home" nichts Besonderes ist wie auch das ganze restliche Album, das sich immer mehr entzaubert je häufiger man es hört.
4-5/10 Punkte
erstellt von Leon.
"Learning" von Perfume Genius machte aber einfach alles anders und war ehrlich schlecht eingespielt- und gesungen, grausig aufgenommen und als Album voller Pianoballaden nur 28 Minuten lang. Das Echo auf Mike Hadreas' Stimme steurte nochmal dazu bei, dass man seine irgendwie neben der Musik stehenden Texte - voll von Leuten, die dich erst in ihrem Truck kiffen lassen und sich danach von einem Hochhaus stürzen - eigentlich gar nicht verstand. Aber all das unterstrich nur die Naivität, Zerbrechlichkeit und Intimität des Albums. Alles das ist größtenteils wie weggeblasen auf "Put Your Back N 2 It" und ich rechtfertige meine lange Vorrede mal damit, dass sich ohne das Debüt wohl keiner für dieses Album interessieren würde.
Denn Mike Hadreas interessiert sich ja auch nicht mehr wirklich für andere. Das Alibi-"You", das er in fast allen Songs benutzt, ist nämlich einfach nur allgemein und spricht damit eigentlich wieder niemanden vor den Lautsprechern an, sondernerzählt von sich oder seinen Beziehungen - nur, dass diesmal keine Schicksale mehr direkt vorkommen und man nicht mehr erschüttert ist von den Geschichten. Das macht ihn weniger angreifbar aber verschließt auch seine Texte.
Da kann es nicht helfen, dass alles noch genau so traurig ist wie früher, weil es einfach nicht mehr wirkt, auch nicht mit den Synthieflächen aus "All Waters" oder der Herzschmerz-Melodie aus "Awol Marine". Denn auch die sind nicht mehr zerbrechlich, sondern stehen souverän eingespielt für den neuen Perfume Genius mit weniger Echo. Der ist aber leider nicht mehr naiv und intim und damit gibt es auch diesem Album einfach nur noch 12 einfache kleine hübsche Pianoballaden. Wer das mag, den wird es nicht stören, dass alles so normal ist und auch das Mitwirken von Gitarre und Schlagzeugeinsatz in "Take Me Home" nichts Besonderes ist wie auch das ganze restliche Album, das sich immer mehr entzaubert je häufiger man es hört.
4-5/10 Punkte
erstellt von Leon.
Kategorien:
Amerikaner,
Indie,
Popig
Freitag, 10. Februar 2012
Kettcar – Zwischen den Runden (Review)
Nachdem Sylt sich noch die größten Feinde ausgesucht hat und dabei seinen eigenen Weg gegangen ist, ist „Zwischen den Runden“ jetzt die Kehrtwende. Kettcar geben sich im ganz alten Sinne romantisch und unpolitisch und zeigen, dass es auch inmitten der größten Krisen noch Wichtigeres gibt als Wirtschaft, Politik und Schulden. Hier wird ganz direkt über das Leben gesungen und über den Tod, die Liebe, die Sehnsucht danach und die Überforderung im Kleinen. Ganz Hamburger Schule. Wäre das alles nicht in so versöhnliche Töne von Akustikgitarre, Klavier, Holzbläsern und Streichern gebettet, dann wäre es Blues – so traurig ist der Grundton der Musik und so gut gesetzt ist dieser letzter Funke Hoffnung in einigen Liedern.
Los geht das mit „Rettung“, das wohl die größte Liebesgeschichte auf diesem Album hier ist und auf euphorischen Bläsern beschreibt wie eine Bekanntschaft und „die Liebe meines Lebens“ von der Party nach Hause geschleppt wird um ihr dann zärtlich die Brocken aus den Haaren zu pulen. Auch „Im Club“ spricht nochmal Hoffnung zu und macht das so direkt wie kein Kettcar-Song es je zuvor gemacht hat. Alle „stolzen Versager in sterbenden Städten“ und „vergessenen Denker“ sollen zusammenkommen und Kettcar zelebrieren die Gemeinschaft auch wenn sie versagt. Das macht zwar Mut, ist aber trotzdem alles andere als optimistisch. Alles, was darauf kommt, zeugt von Resignation oder bloßer Überforderung. Das heißt nicht nur, dass wie in „Kommt ein Mann in die Bar“ ein Mädchen mit gebrochenem Herzen am Glücksspielautomaten stehend rät doch einfach aufzuhören zu hoffen, die Mütter die Mäuse für die Schlangen der Kinder füttern und alles andere im Leben immer absurder wird – und all das überhaupt nicht witzig ist ohne jemanden an seiner Seite. Nein, selbst im Liebeslied „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ ist der Protagonist ohnmächtig und kann nicht ausdrücken, was er will ohne immer wieder nach den Geigen zu rufen…
Die Musik dazu ist tatsächlich nicht viel mehr als „die Musik dazu“. Immer gibt es Geigen, Bläser und Klavier, die alles noch melancholischer machen oder wie in „In deinen Armen“ einfach nur im Lounge-Stil die Stimme unterstützen. Das ist zwar nicht schlecht so, aber klingt manchmal so sehr nach übertriebenem Pop und Schlager-Pathos, dass man sich mehr Momente wie in „Schrilles, buntes Hamburg“ wünscht, das mit seinen E-Gitarren und dem kleinen Extratupfer Elektronik speziell an Sylt aber auch an frühere Alben erinnert. Hier wird sogar die Hoffnung einmal liegen lassen und die totale Ablehnung sorgt im Refrain dafür, dass sich der Slogan „Es muss immer komplett verwertet werden, wenn es komplett verwertet werden kann“ tief ins Gehirn einstampft.
Das Gesamterlebnis „Zwischen den Runden“ tröpfelt zwar so geschmeidig aus den Lautsprechern wie noch nie bei Kettcar und zeigt bei all seiner Melancholie doch immer diesen letzte Ausweg und nimmt in den Arm, aber die großen Momente haben sie ganz spärlich gesäht. An die Songs kann man sich zwar erinnern aber wenige reißen wirklich mit. Gleichzeitig ist aber der Text eigentlich darauf ausgelegt sofort zu treffen, schaffen das aber nicht immer. Stundenlanges interpretieren ist bei Kettcar nicht mehr angesagt 2012, aber diese tiefere Ebene fehlt jetzt.
6-7/10 Punkte
erstellt von Leon.
Los geht das mit „Rettung“, das wohl die größte Liebesgeschichte auf diesem Album hier ist und auf euphorischen Bläsern beschreibt wie eine Bekanntschaft und „die Liebe meines Lebens“ von der Party nach Hause geschleppt wird um ihr dann zärtlich die Brocken aus den Haaren zu pulen. Auch „Im Club“ spricht nochmal Hoffnung zu und macht das so direkt wie kein Kettcar-Song es je zuvor gemacht hat. Alle „stolzen Versager in sterbenden Städten“ und „vergessenen Denker“ sollen zusammenkommen und Kettcar zelebrieren die Gemeinschaft auch wenn sie versagt. Das macht zwar Mut, ist aber trotzdem alles andere als optimistisch. Alles, was darauf kommt, zeugt von Resignation oder bloßer Überforderung. Das heißt nicht nur, dass wie in „Kommt ein Mann in die Bar“ ein Mädchen mit gebrochenem Herzen am Glücksspielautomaten stehend rät doch einfach aufzuhören zu hoffen, die Mütter die Mäuse für die Schlangen der Kinder füttern und alles andere im Leben immer absurder wird – und all das überhaupt nicht witzig ist ohne jemanden an seiner Seite. Nein, selbst im Liebeslied „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ ist der Protagonist ohnmächtig und kann nicht ausdrücken, was er will ohne immer wieder nach den Geigen zu rufen…
Die Musik dazu ist tatsächlich nicht viel mehr als „die Musik dazu“. Immer gibt es Geigen, Bläser und Klavier, die alles noch melancholischer machen oder wie in „In deinen Armen“ einfach nur im Lounge-Stil die Stimme unterstützen. Das ist zwar nicht schlecht so, aber klingt manchmal so sehr nach übertriebenem Pop und Schlager-Pathos, dass man sich mehr Momente wie in „Schrilles, buntes Hamburg“ wünscht, das mit seinen E-Gitarren und dem kleinen Extratupfer Elektronik speziell an Sylt aber auch an frühere Alben erinnert. Hier wird sogar die Hoffnung einmal liegen lassen und die totale Ablehnung sorgt im Refrain dafür, dass sich der Slogan „Es muss immer komplett verwertet werden, wenn es komplett verwertet werden kann“ tief ins Gehirn einstampft.
Das Gesamterlebnis „Zwischen den Runden“ tröpfelt zwar so geschmeidig aus den Lautsprechern wie noch nie bei Kettcar und zeigt bei all seiner Melancholie doch immer diesen letzte Ausweg und nimmt in den Arm, aber die großen Momente haben sie ganz spärlich gesäht. An die Songs kann man sich zwar erinnern aber wenige reißen wirklich mit. Gleichzeitig ist aber der Text eigentlich darauf ausgelegt sofort zu treffen, schaffen das aber nicht immer. Stundenlanges interpretieren ist bei Kettcar nicht mehr angesagt 2012, aber diese tiefere Ebene fehlt jetzt.
6-7/10 Punkte
erstellt von Leon.
Dienstag, 7. Februar 2012
Marsimoto - Grüner Samt (Review)
Marsimoto ist eine durchaus einzigartige Erscheinung in der deutschen Rap-Landschaft. Wie viele schon mitbekommen haben sollten, handelt es sich hierbei um das Alter Ego von Materia, welches einen Faible für die Farbe Grün und Graskonsum hat. Nun sollte man als Neueinsteiger nicht erwarten auf ein deutsches Pendant zum Namensgeber Quasimoto, ein Alias von Madlib, oder derzeit hippen amerikanischen Weed-Rappern wie Curren$y zu stoßen. Nein, auf dieser Platte erwartet den Hörer eine überzeichnete Kunstfigur, die mit hochgepitchter Stimme u.a. die Glorifizierung von Indianern, seinen Kumpel, den Basketball und das Schicksal eines Wals auf elektronischen Beats thematisiert.
Mittlerweile beim dritten Album des Konzepts angelangt, hat man mit "Grüner Samt" ein sehr eigenständiges Werk abgeliefert, dass auf Seite der Raps komplett auf Features verzichtet und auch seine Instrumentals nur aus dem Green Berlin-Camp bezieht, zu dem u.a. Dead Rabbit, der schon am Debut "Halloziehnation" maßgeblich beteiligt war, und The Krauts, verantwortlich für Produktionen auf dem Materia-Album "Zum Glück in Die Zukunft", gehören. Dies garantiert eine sehr stringentes und homogenes Ganzes, einen Sound der den Drogenkonsum auch für den nüchternen Hörer erlebbar macht und eine entspannte, trotzdem schräge Atmosphäre. Die Produzenten lehnen sich dabei an unterschiedliche elektronischen Stile an, häufig scheint die Bezugsquelle in Form von Dubstep und Future Garage in London zu liegen, hin und wieder werden auch eher klassischere Hip Hop-Instrumentals eingestreut. Auch Samples finden sich so z.B. in "Grünes Haus" The White Stripes. Immer wieder ertönen Sounds, die an andere Acts erinnern. "Indianer" klingt wie ein sauberes Instrumental von Gonjasufi, in "Wo ist der Beat" findet man Kraftwerk-artige Synthies und "Absinth" endet mit einem zerstückelten, hippeligen Beat, der auch von Warp Records-Künstlern wie Squarepusher und Aphex Twin stammen könnte.
Auch textlich wird in vielen Gefilden gewandert, die immer wieder eine weitere Facette Marsimotos aufzeigen. Mal ist er der Wilde ("Zigeuner"), dann die Person, die prominente Todesfälle der Musikgeschichte mit erlebt hat ("Der springende Punkt") und zu guter Letzt "Der Sänger von Björk". Daneben bleibt noch genug Zeit klassisches Representing zu betreiben ("Grünes Haus"), sich vom Rest der Szene abzugrenzen ("Wellness") und der favorisierten Droge Liebeslieder zu schreiben ("Ich Tarzan, Du Jane").
"Grüner Samt" ist ein wirklich gelungenes Album mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit, welches sich mit 55 Minuten als äußerst kurzweilige, unterhaltsame Angelegenheit darstellt. Unnötigen Ballast wie auf vielen anderen Veröffentlichungen aus dem Bereich sucht man hier vergebens. Einziger Kritikpunkt ist das erste Viertel des Langspielers, das zum Rest der Platte etwas abfällt. Eins der frischesten Deutsch-Rap-Produkte seit langem.
8/10 Punkte
erstellt von Markus.
Mittlerweile beim dritten Album des Konzepts angelangt, hat man mit "Grüner Samt" ein sehr eigenständiges Werk abgeliefert, dass auf Seite der Raps komplett auf Features verzichtet und auch seine Instrumentals nur aus dem Green Berlin-Camp bezieht, zu dem u.a. Dead Rabbit, der schon am Debut "Halloziehnation" maßgeblich beteiligt war, und The Krauts, verantwortlich für Produktionen auf dem Materia-Album "Zum Glück in Die Zukunft", gehören. Dies garantiert eine sehr stringentes und homogenes Ganzes, einen Sound der den Drogenkonsum auch für den nüchternen Hörer erlebbar macht und eine entspannte, trotzdem schräge Atmosphäre. Die Produzenten lehnen sich dabei an unterschiedliche elektronischen Stile an, häufig scheint die Bezugsquelle in Form von Dubstep und Future Garage in London zu liegen, hin und wieder werden auch eher klassischere Hip Hop-Instrumentals eingestreut. Auch Samples finden sich so z.B. in "Grünes Haus" The White Stripes. Immer wieder ertönen Sounds, die an andere Acts erinnern. "Indianer" klingt wie ein sauberes Instrumental von Gonjasufi, in "Wo ist der Beat" findet man Kraftwerk-artige Synthies und "Absinth" endet mit einem zerstückelten, hippeligen Beat, der auch von Warp Records-Künstlern wie Squarepusher und Aphex Twin stammen könnte.
Auch textlich wird in vielen Gefilden gewandert, die immer wieder eine weitere Facette Marsimotos aufzeigen. Mal ist er der Wilde ("Zigeuner"), dann die Person, die prominente Todesfälle der Musikgeschichte mit erlebt hat ("Der springende Punkt") und zu guter Letzt "Der Sänger von Björk". Daneben bleibt noch genug Zeit klassisches Representing zu betreiben ("Grünes Haus"), sich vom Rest der Szene abzugrenzen ("Wellness") und der favorisierten Droge Liebeslieder zu schreiben ("Ich Tarzan, Du Jane").
"Grüner Samt" ist ein wirklich gelungenes Album mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit, welches sich mit 55 Minuten als äußerst kurzweilige, unterhaltsame Angelegenheit darstellt. Unnötigen Ballast wie auf vielen anderen Veröffentlichungen aus dem Bereich sucht man hier vergebens. Einziger Kritikpunkt ist das erste Viertel des Langspielers, das zum Rest der Platte etwas abfällt. Eins der frischesten Deutsch-Rap-Produkte seit langem.
8/10 Punkte
erstellt von Markus.
Samstag, 4. Februar 2012
Of Montreal - Paralytic Stalks (Review)
Die Lage, in der sich Kevin Barnes im Moment befindet, kann man als Zwickmühle beschreiben. Egal, was er mit Of Montreal macht, ein Teil seiner Fans wird es hassen. Aber das hat er sich voll und ganz selbst zuzuschreiben - so oft wie er seine Stile hin und her wechselt und mit jedem Album immer wieder die Richtung völlig ändert. Es löst nun mal Enttäuschung aus, wenn auf ein Weirdo-Pop-Album voller Selbstreflektion wie „Hissing Fauna, Are You The Destroyer?“ auf einmal die totale Abstraktion des Sounds zwischen Funk, Pop, Rock und Electronica mit den schweinigsten Texten aller Zeiten folgt wie auf „Skeletal Lamping“ nur um darauf dann auf einmal ein von R’n’B beeinflusstes Pop-Album folgen zu lassen wie „False Priest“ und die Elektronik fast raus streicht. An der Veränderung ändert sich auch 2012 nichts, aber „Paralytic Stalks“ versucht sich wenigstens daran die letzten Jahre dieser „Band“ musikalisch zusammenzufassen.
Dass das in einem heillosen Chaos ausartet, dürfte jetzt nach der Beschreibung schon jedem klar sein. Wie gut es aber ist, erkennt man erst nach mehreren Hördurchgängen, weil man dieses ganze Album erst in Ansätzen begreifen kann, wenn man es wieder und wieder und wieder und wieder hört; wenn man die Songs beginnt aufzuschlüsseln; wenn man sich nicht mehr so wundert wie in dem Moment, in dem man die Songs der 2. Hälfte zum ersten Mal hört, sondern Zeit hat um Spaß beim Hören zu haben und die Energie zu spüren. Denn ohne das kommt man durch die letzten 4 Songs nicht. Viel zu oft passiert z.B. im Closer, dem 13-minütigen „Authentic Pyrrhic Remission“, nämlich einfach das, was man auch nach dem 20. Mal immer noch nicht erwartet, weil auch die Refrains nie einfach so mit der gleichen Melodie wiederholt werden. Aber: das fesselt dann so wie diese 70er-Jahre-Krautrock-Alben, die man zwar nie ganz versteht und trotzdem immer wieder hören will.
Das seltsame daran ist aber, dass das Intellektuelle hier so hinter Pop und Hooks (mehrere pro Song) versteckt, dass der NeoProg, den Barnes scheinbar für sich entdeckt hat, nicht nervt und auch nicht so klingt als würde er jetzt bewusst „den Hörer fordern“. Man hat bei dem Funk- und Pop-Lehrer Barnes einfach Freude am Unterricht und will höchstens mal in die Pause, weil er mit der übermotivierten Spielzeit von knapp einer Stunde wirklich übertreibt und mit den Noise-Attacken, die statt einer Viertelstunde nur 5 Minuten gebraucht hätten. Dass er das mit der Soundcollage beherrscht ist nämlich nach dem einzigen Instrumental „Exorcistic Breeding Knife“ schon klar - auch wenn es mit 8 Minuten Spielzeit an sich schon zu viel des Guten ist.
Zum Glück sind die Ausflüge in andere Extreme wie in den Quasi-Folk von „Malefic Dowery“ oder den abgehobene Psychedlic-Jam in „Ye, Renew The Plaintiff“ nicht so lang und immer gepaart mit den offenherzigsten Texten der letzten 5 Jahre Bandgeschichte. Da muss wohl wieder eine Ehe gerettet werden wie damals bei „Hissing Fauna…“, denn anders sind Zeilen wie “Other people can say there is a true belief system/ But all my life I've been betrayed by my mother's religion/ Too much bitterness” gar nicht zu erklären, die so einen tiefen Eindruck in Barnes‘ Bild vom Leben, der Religion, der Liebe und allem bieten. Man wünscht ihm das natürlich nicht, aber für Texte, die so viel Nähe zum Künstler aufbauen, brauchen viele nun mal eine problematische Lebenslage.
Also gute Besserung, Kevin… Mit diesem Album sollte es aber eigentlich nicht mehr so schwierig sein das alles wieder einzurenken – das haben schließlich auch schon andere geschafft, denen „Paralytic Stalks“ in nichts nachsteht.
8/10 Punkte (Tendenz aufwärts)
erstellt von Leon.
Dass das in einem heillosen Chaos ausartet, dürfte jetzt nach der Beschreibung schon jedem klar sein. Wie gut es aber ist, erkennt man erst nach mehreren Hördurchgängen, weil man dieses ganze Album erst in Ansätzen begreifen kann, wenn man es wieder und wieder und wieder und wieder hört; wenn man die Songs beginnt aufzuschlüsseln; wenn man sich nicht mehr so wundert wie in dem Moment, in dem man die Songs der 2. Hälfte zum ersten Mal hört, sondern Zeit hat um Spaß beim Hören zu haben und die Energie zu spüren. Denn ohne das kommt man durch die letzten 4 Songs nicht. Viel zu oft passiert z.B. im Closer, dem 13-minütigen „Authentic Pyrrhic Remission“, nämlich einfach das, was man auch nach dem 20. Mal immer noch nicht erwartet, weil auch die Refrains nie einfach so mit der gleichen Melodie wiederholt werden. Aber: das fesselt dann so wie diese 70er-Jahre-Krautrock-Alben, die man zwar nie ganz versteht und trotzdem immer wieder hören will.
Das seltsame daran ist aber, dass das Intellektuelle hier so hinter Pop und Hooks (mehrere pro Song) versteckt, dass der NeoProg, den Barnes scheinbar für sich entdeckt hat, nicht nervt und auch nicht so klingt als würde er jetzt bewusst „den Hörer fordern“. Man hat bei dem Funk- und Pop-Lehrer Barnes einfach Freude am Unterricht und will höchstens mal in die Pause, weil er mit der übermotivierten Spielzeit von knapp einer Stunde wirklich übertreibt und mit den Noise-Attacken, die statt einer Viertelstunde nur 5 Minuten gebraucht hätten. Dass er das mit der Soundcollage beherrscht ist nämlich nach dem einzigen Instrumental „Exorcistic Breeding Knife“ schon klar - auch wenn es mit 8 Minuten Spielzeit an sich schon zu viel des Guten ist.
Zum Glück sind die Ausflüge in andere Extreme wie in den Quasi-Folk von „Malefic Dowery“ oder den abgehobene Psychedlic-Jam in „Ye, Renew The Plaintiff“ nicht so lang und immer gepaart mit den offenherzigsten Texten der letzten 5 Jahre Bandgeschichte. Da muss wohl wieder eine Ehe gerettet werden wie damals bei „Hissing Fauna…“, denn anders sind Zeilen wie “Other people can say there is a true belief system/ But all my life I've been betrayed by my mother's religion/ Too much bitterness” gar nicht zu erklären, die so einen tiefen Eindruck in Barnes‘ Bild vom Leben, der Religion, der Liebe und allem bieten. Man wünscht ihm das natürlich nicht, aber für Texte, die so viel Nähe zum Künstler aufbauen, brauchen viele nun mal eine problematische Lebenslage.
Also gute Besserung, Kevin… Mit diesem Album sollte es aber eigentlich nicht mehr so schwierig sein das alles wieder einzurenken – das haben schließlich auch schon andere geschafft, denen „Paralytic Stalks“ in nichts nachsteht.
8/10 Punkte (Tendenz aufwärts)
erstellt von Leon.
Kategorien:
Experimentell,
Indie,
Popig,
Psychedelisch
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