Donnerstag, 29. September 2011

Urlaub in Polen – Boldstriker (Review)

Das Schlagzeug kommt angaloppiert und Gitarre und Unidentifizierbares werden eingestreut. Dazu kommt Georg Brenners Stimme, die typisch in seiner eigenen Art Sprechgesang dargeboten wird. Der ist diesmal aber clean! Und das ist noch nicht mal das Unerwartetste, was im Opener „Lore-Ley I“ passiert. Denn gerade wenn man sich eingegroovt hat in diese, wie immer an Neu! erinnernde, Atmosphäre, da bekommt das Bild, das man von Urlaub in Polen bis jetzt hatte, Risse. Ein Klavier, nicht dissonant, nicht verstimmt, nicht mit Einsatz von riesigem Echo! Einfach nur ein Klavier. Das, was hier passiert, ist nicht hibbelig und nicht anstrengend und gleichzeitig ist es nicht aufdringlich und elektronisch. All das waren Brenner (Ken) und Janzen (Von Spar) auf den letzten 4 Alben dieses „Nebenprojekts“ ja auch schon und wenn sie da stehengeblieben wären, müsste diese Band sich ja nicht auflösen.

„Boldstriker“ ist das Album mit dem die 2-Mann-Band bis jetzt am wenigsten aus der Reihe aber am meisten aus ihrer Bandtradition tanzt. Alles ist nämlich irgendwie entspannt. Es gibt echte Songs mit sinnvollen, wenn auch schwierig zu verstehenden Texten. Seltsamerweise fassen sie ihre Bandgeschichte auf diese Weise aber auch zusammen. Die Entwicklung ging ja immer mehr in Richtung Nachvollziehbarkeit, aber bis jetzt auch immer in Richtung Electronika. Die hört man hier nur an wenigen Stellen. Der 2. Teil des genialen Snowwhite ist so eine. Nachdem die erste Hälfte des Songs vom Beat getragen ist, der unglaublich druckvoll die Klangfetzen vor sich her treibt, die Brenner in Massen in den Song einbaut, kommt ein kleiner Break. Dass aus dem Song fast eine 4-to-the-Floor –Nummer werden könnte, wäre auf jedem anderen Album undenkbar, passt hier aber perfekt hinein.

Genauso wie die Gastmusiker hier hinein passen: So viele davon gab es auf einem UiP-Album nämlich noch nie und neben dem Klavier das Wolke-Pianist Bene Filleböck und dem Bass, den auf einigen Tracks des Albums ihr Produzent Guido Lucas übernahm, kam selbst an der Gitarre auf „Oh Beo, Where Art Thou?“ ein Gastmusiker, nämlich Johannes Stankowski , zu Worte und diese Worte sind mechanisch ohne Distanz zum Hörer aufzubauen. Somit ist das Beste aus der Auflösung des ehemals ziemlich festen Bandgefüges gemacht worden. Jedes Instrument, dass nicht von Brenner und Janzen gespielt wurde, ergänzt den Sound, der aber auch bei Songs, bei dem man nur die beiden Bandmitglieder hört, nie unausgereift daherkommt.

Man kann „Boldstriker“ also als gelungenes Zeugnis einer harmonischen Trennung bezeichnen, denn mit diesem Album ist tatsächlich alles gesagt. Nach diesem letzten Schritt zur tatsächlichen Auflösung des Sounds, bei dem sich der Vergleich mit Sonic Youth weniger als je zuvor aufdrängt, freut man sich auf das, was hier noch entstehen kann, wenn das Nachfolgeprojekt, was auch immer da kommt, loslegt. Bis dahin hat man aber erstmal ein Album, das einen Schwebezustand sowohl leicht als auch interessant und verdreht beschreibt. Die bedrohlichen Momente wiegen dabei die euphorischen aus und es entsteht ein Gleichgewicht, das sehr selten ist bei dieser Art von Musik, die immer noch weit ab des Normalen spielt.

8/10 Punkte


erstellt von Leon.

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