Sonntag, 1. August 2010

Musik für Menschen - Mal sehen, ob das ein Album wird (Review)

Hinter dem Projekt Musik für Menschen steht der Freistil-Rapper form, der sich nach mehreren kaum hörbaren Untapes und Unalben endlich dazu entschieden hat, mal etwas zugänglicher zu werden. Dabei muss das „etwas“ besonders betont werden, weil einige der Songs hätte sich wohl kaum ein HipHop-Künstler so getraut.

Auf „Mal sehen,…“ singt form fast nur, die Rapparts sind auf ein Minimum heruntergefahren worden. Das kann er zwar nicht besonders gut, aber grade das Amateurhafte macht den Gesang sehr charmant. Die Beats klingen oft ähnlich unangenehm wie auf den Releases von Audio88&Yassin, sind aber nie so schief, dass sie in den Ohren wehtun, andererseits können sie sich aber auch so einschmeichelnd geben, dass man denkt Maeckes hätte wieder Lust gehabt anstrengendere Lieder zu schreiben. In seinen Texten ist diese Parallele auch gar nicht so fern: Beide sind mit Wortwitz agierende Zyniker und bei Musik für Menschen verzichtet form sogar bewusst auf die Whack-MC-Problematik. Was die beiden aber trennt ist, dass form durchaus auch mal politisch werden kann und nur reimt, wenn es gerade keine negativen Auswirkungen auf die Aussage hat. Leider sind die Texte ungewöhnlich weit im Hintergrund hinter den Beats angesiedelt und so kann man den Texten nicht so folgen, wie man es manchmal möchte.

Tolle Arbeit sind auch die Instrumentalstücke, nicht Skits, wirkliche Instrumentale, „Am schlimmsten ist es immer, wenn sie nicht antwortet“ übersteigt sogar die 3-Minuten-Marke und wirbelt dabei den Staub des versöhnlichen Intros mit hyperaktivem Trommelfeuer auf. Erst nach zwei Minuten setzt die Kickdrum ein und verleiht dem elektronischen Freiflug eine Form. „Ach so, war ja klar“ und „Freuzwang“ schlagen, auch wenn sie kürzer sind, in eine ähnliche Kerbe. Mehr als diese drei hätten es auch nicht sein dürfen, da sie sich stark ähneln, aber so gliedern sie das Album und sind gleichzeitig musikalisch interessant und gut.

Mit Gliederung ist eine Aufteilung in eher glückliche und sehr melancholische Songs gemeint, was sich fast nur in den Texten widerspiegelt. Die Musik z.B. in „Ihr ist sein ist dein ist mein“ ist niedergeschlagen wie in kaum einem anderen Track des Albums, der Text erzählt aber eine Liebesgeschichte. Besonders gut sieht man die zwei Seiten des Albums aber an den Tracks „Ich freu mich schon mal vor“ und dem Schlusstrack „Ende Gelände“. Der erste der beiden ist das vielleicht eingängigste Lied, das ich von form kenne und könnte mit seiner umarmenden Wärme wohl auch Depressionen beenden. „Hallo, ein großes Hallo, ein sehr großes Hallo, 70 Kilometer“ beschreibt den Song sehr gut, denn eine größere Begrüßung hätte form gar nicht aussprechen können. Dagegen steht das resignierende „Ende Gelände“, das mit Zeilen wie „Am Ende wird nicht alles gut, am Ende endet alles, in der Sackgasse stecken nicht die Geschenke, es war eine Falle“ den Hörer gleich wieder zurück in die Trauer schickt.

Und genau das macht form aus. Er ist mit voller Seele Künstler und kann gleichzeitig die Gefühle des Hörers auf ehrlichste Weise beeinflussen. Dieses Album gewinnt aber vor allem aufgrund seiner Kürze von gut 30 Minuten. Haben die Vorgänger teilweise mit fast einer Stunde nach einmal Hören schon Ohrenschmerzen gemacht, kann man dieses Album auch gut zweimal am Stück hören. Wenn nächstes Mal vielleicht noch ein Battletrack von der Stärke eines „Das Geben eines Fickes in Zeiten der Keinfickgebung“ mit dabei wäre, würde ich das Album auch mit auf die gedachte einsame Insel mitnehmen, das hätte dem Konzept aber wohl zu sehr widersprochen. Das Ganze soll nämlich chronologisch eine Geschichte erzählen, die sich aber nicht direkt erschließt und sich mir bis jetzt auch nicht erschloßen hat...
Es ist aber auf jeden Fall mein persönliches HipHop-Album des bisherigen Jahres.

9/10 Punkte

Hört es euch hier einfach selbst an.

erstellt von Leon.

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