Dienstag, 28. Februar 2012

A Whisper In The Noise – To Forget (Review)

Kaum wird es wärmer, wünscht man sich dank A Whisper In The Noise die Minusgrade wieder zurück. Eigentlich gibt es nämlich nur einen Ort für diese Platte: Ein Meter vor dem Ofen nachdem man sich durch die Kälte der Außenwelt gewühlt hat. Denn „To Forget“ taut auf, anders lässt es sich nicht beschreiben. Diese unterschwellige Wärme in der Stimme von West Thordson und Sonja Larson und die ins Sympathische schielenden Gitarren schmelzen neben dem Eis vor Geige und Piano auch den Menschen vor den Lautsprechern. Das Drumming muss da gar nicht mehr soviel dazutun wie noch auf „Dry Land“ vor 5 Jahren, weil die Eiswände viel dünner geworden sind und auch ein paar Schläge schon ausreichen sie zu durchbrechen.

Bei all der Melancholie und Traurigkeit haftet dem ganzen Album dieses Gefühl der Hoffnung an, das man so oft von Sigur Ròs hört. Das passiert mal durch das Echo, das in „A Sea Estranged Us“ die Welt öffnet oder halt den Ozean über den Sonja Larson führt; mal weil sich in „Sad, Sad Song“ alles anschmeichelt, was sich sonst verschließt und eine stoische Gitarrenmelodie das Gefühl aufkommen lässt ganz nah dran zu sein; mal durch die Zurückhaltung in „Your Hand“, die in den Außmaßen ganz neu ist für diese Band und mit mehr Personal als den beiden Hauptakteuren wohl nicht zustande gekommen wäre; oder halt ganz einfach durch „Of This Sorrow“, der einen Closer darstellt, der „True Love Will Find You In The End“ ins Gedächtnis ruft, der ähnlich versöhnlich als Ballade mit prominenter Akustikgitarre den Vorgänger beendet hat.

„Nette Musik“ zum Nebenbeihören können AWITN trotzdem einfach nicht schreiben. Viel zu sehr muss man darauf achten zwischen all den langsamen und leisen Passagen nicht verloren zu gehen. Nichts hier wird wirklich reihenweise Menschen in seinen Bann ziehen, aber gerade deswegen und wegen der Töne, die scheinbar zu wenig gespielt werden, drängt es sich auf das Album immer wieder zu hören - auch wenn man sich konzentrieren muss, damit sich hier nicht ungewollt die Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenkt. Aus der Stille und Behäbigkeit stürzen nämlich so oft Überraschungen wie bei Mark Hollis/Talk Talk und zeigen dann man hier nicht Unaufdringlichkeit mit Lahmarschigkeit verwechseln sollte.

Schade ist nur, dass auch die verstörenden Momente einer Auflockerung unterzogen worden sind und Songs wie „All My“ damit zwar immer noch irgendwie gruselig sind, aber nicht mehr schocken wie auf früheren Veröffentlichungen. Das hätte vielleicht nicht zum liebevollen Grundton gepasst, aber sogar auf der kurzen Spielzeit, die ohne Intro, Zwischenstücke und Field-Recording-Grillenzierpen nur gut eine halbe Stunde beträgt, kann man von A Whisper in the Noise eigentlich ein bisschen mehr Abwechslung erwrten.

8/10 Punkte


erstellt von Leon.

Samstag, 25. Februar 2012

A Place to Bury Strangers - Onwards To The Wall (Review)


Zweieinhalb Jahre sind seit ihrem letzten Langspieler vergangen, nun bringen die Brooklyner ihr erstes musikalisches Lebenzeichen seit der Tour EP "Ego Death" heraus. Wie erwartet gibt es erneut eine düstere Melange aus Shoegaze, Post-Punk und Noise Rock. Im Gegensatz zu "Exploding Head" dröhnt das Ergebnis allerdings deutlich weniger. Diesmal wird der Hörer nicht weg gefegt, sondern für 16 Minuten in ein kalten Klangkosmus entführt der sich anfühlt wie Metallfesslen. Packend aber unbequem. Der Feedback-Lärm und die Gitarrenwände des Vorgängers wurde runter gefahren, so dass die Noise-Elemente eher im Hintergund tönen.

Der Opener wird bestimmt durch kalte, harte Drums und einen markanten Basslauf bis der Track mit der Zeit immer weiter im Gitarren-Feedback versinkt und dabei eine tolle, dunkle Atmosphäre kreiert. "So Far Away" groovt für A Place To Bury Strangers Verhältnisse ziemlich cool, ein Eindruck der auch durch die Band-untypischen Handclaps verstärkt wird, und könnte auch in (Indie-)Clubs gespielt werden. Das Highlight der EP ist dann der Titeltrack, der gerade zu Beginn stark an Joy Division erinnert und dem es im weiteren Verlauf hervorragend gelingt eine düstere Stimmung zu schaffen. Die zwei nachfolgenden Stücke hinterlassen hingegen keinen allzu starken Eindruck, können jedoch trotzdem als ordentliches Material bezeichnet werden.

"Onwards To The Wall" ist ein durchaus gelungenes, kurzweiliges Werk, das besonders durch seine Atmosphäre überzeugen kann. Um als EP länger im Kopf zu bleiben, fehlen jedoch die herausragenden Songs und Hits. Doch auch so liegt eine gute Veröffentlichung vor, die den Appertit auf das nächste Album weckt.

7/10 Punkte





erstellt von Markus.

Dienstag, 21. Februar 2012

Burial – Kindred EP (Review)

Es gibt nicht viele Künstler, die sich so große Abstände zwischen VÖs erlauben können wie Burial. Natürlich: zwischen Street Halo aus dem letzten Jahr und Kindred liegt nicht viel Zeit, aber sein letztes Album ist schon 5 Jahre her und auch im Moment ist kein neuer Langspieler in Sicht. Immer wieder nur EPs, diverse Kollabos und Projekte – so wirklich wusste bis jetzt ja auch niemand wie ein Nachfolger zu „Burial“ und „Untrue“ aussehen sollte damit es nicht wirkt wie Selbstkopie oder eine totale Blamage wird. Aber Burial zeigt mit „Kindred“ jetzt selbst auf wie es gehen könnte.

Dafür muss er sich nicht neu erfinden, denn eigentlich weiß man vom ersten Rauschen in den Boxen, das mit einem souligen Vokalsample unterlegt wird, wo man hier gelandet ist: der Opener Kindred zeigt alles, was man von William Bevan erwartet. Aber er macht da noch nicht Stopp und breitet sich als 12-minütige „Symphonie“ aus, die immer wieder in sich zusammenfällt um sich dann langsam wieder aufzubauen. Nacheinander verschwinden die Soundschichten bis immer wieder nur das Hintergrundrauschen da ist, das die Atmosphäre beherrscht. Dann kommt noch einmal diese starke Stimme, die ihr „Baby You“ immer wieder in die Gehörgänge der Zuhörer drischt bis dieser Beat wieder anfängt. Den hat man wahrscheinlich schon 1000 mal gehört, aber genau wegen der Erinnerung an andere Stücke, die schon fast genauso emotional und doch kalt waren wie „Kindred“ ist er so passend.

Danach kommt „Loner“ mit seinem Beat, der alles andere ist als Dubstep und gleichzeitig das Tanzbarste, was Burial uns je gegeben hat. Immer sind da diese Syntharpeggios und die tiefen Flächen und wollen dich wissen lassen, dass da wirklich „Something out there“ ist. Alles Bedrohliche, was Bevan in den letzten 5 Jahren erlebt hatte, scheint er auf diese 7 Minuten komprimiert zu haben und eigentlich müsste man jedem, der diesen Song hören will auch empfehlen sich vorher eine Packung Popcorn zu holen, damit diesem Track nicht reihenweise Fingernägel zum Opfer fallen.

Aber zum Glück kommt jetzt „Ashtray Wasp“, das wieder ablenkt von den Untiefen, die gerade durchschritten worden sind. Dabei hilft nur, dass es nicht wie „Kindred“ nach seinen „Breakdowns“ wieder ansetzt, wo es vorher aufgehört hat, sondern immer wieder so klingt als wäre da ein neuer Song bis er auf einem entspannten Ausklang auf einer Pianomelodie ändert.

Dreimal zeigt Burial hier also, was er aus seinem Sound noch rausholen kann ohne dass es langweilig wird und gibt der Außenwelt dabei so ganz nebenbei sowohl eine der besten Platten, die das Jahr bisher zu bieten hatte als auch 3 der besten Tracks, die man von ihm kennt. Bei 30 Minuten Spielzeit ist ihm außerdem fast schon ein Albumersatz gelungen. Fast.

9/10 Punkte


erstellt von Leon.

Montag, 13. Februar 2012

Perfume Genius - Put Your Back N 2 It (Review)

Immer wieder gibt es Alben, die in der Lage sind dazu zu bewegen über Dinge nachzudenken, die in der Musikwelt eigentlich als Regel akzeptiert sind. Z.B. sollte man sein Instrument beherrschen (auch wenn man gerne so tun darf als würde man es nicht, Moldy Peaches), der Gesang sollte irgendwie zur Musik passen und eigentlich gibt es auch für jedes Genre eine Albumlänge, die man erwarten kann.

"Learning" von Perfume Genius machte aber einfach alles anders und war ehrlich schlecht eingespielt- und gesungen, grausig aufgenommen und als Album voller Pianoballaden nur 28 Minuten lang. Das Echo auf Mike Hadreas' Stimme steurte nochmal dazu bei, dass man seine irgendwie neben der Musik stehenden Texte - voll von Leuten, die dich erst in ihrem Truck kiffen lassen und sich danach von einem Hochhaus stürzen - eigentlich gar nicht verstand. Aber all das unterstrich nur die Naivität, Zerbrechlichkeit und Intimität des Albums. Alles das ist größtenteils wie weggeblasen auf "Put Your Back N 2 It" und ich rechtfertige meine lange Vorrede mal damit, dass sich ohne das Debüt wohl keiner für dieses Album interessieren würde.

Denn Mike Hadreas interessiert sich ja auch nicht mehr wirklich für andere. Das Alibi-"You", das er in fast allen Songs benutzt, ist nämlich einfach nur allgemein und spricht damit eigentlich wieder niemanden vor den Lautsprechern an, sondernerzählt von sich oder seinen Beziehungen - nur, dass diesmal keine Schicksale mehr direkt vorkommen und man nicht mehr erschüttert ist von den Geschichten. Das macht ihn weniger angreifbar aber verschließt auch seine Texte.

Da kann es nicht helfen, dass alles noch genau so traurig ist wie früher, weil es einfach nicht mehr wirkt, auch nicht mit den Synthieflächen aus "All Waters" oder der Herzschmerz-Melodie aus "Awol Marine". Denn auch die sind nicht mehr zerbrechlich, sondern stehen souverän eingespielt für den neuen Perfume Genius mit weniger Echo. Der ist aber leider nicht mehr naiv und intim und damit gibt es auch diesem Album einfach nur noch 12 einfache kleine hübsche Pianoballaden. Wer das mag, den wird es nicht stören, dass alles so normal ist und auch das Mitwirken von Gitarre und Schlagzeugeinsatz in "Take Me Home" nichts Besonderes ist wie auch das ganze restliche Album, das sich immer mehr entzaubert je häufiger man es hört.

4-5/10 Punkte


erstellt von Leon.

Freitag, 10. Februar 2012

Kettcar – Zwischen den Runden (Review)

Nachdem Sylt sich noch die größten Feinde ausgesucht hat und dabei seinen eigenen Weg gegangen ist, ist „Zwischen den Runden“ jetzt die Kehrtwende. Kettcar geben sich im ganz alten Sinne romantisch und unpolitisch und zeigen, dass es auch inmitten der größten Krisen noch Wichtigeres gibt als Wirtschaft, Politik und Schulden. Hier wird ganz direkt über das Leben gesungen und über den Tod, die Liebe, die Sehnsucht danach und die Überforderung im Kleinen. Ganz Hamburger Schule. Wäre das alles nicht in so versöhnliche Töne von Akustikgitarre, Klavier, Holzbläsern und Streichern gebettet, dann wäre es Blues – so traurig ist der Grundton der Musik und so gut gesetzt ist dieser letzter Funke Hoffnung in einigen Liedern.

Los geht das mit „Rettung“, das wohl die größte Liebesgeschichte auf diesem Album hier ist und auf euphorischen Bläsern beschreibt wie eine Bekanntschaft und „die Liebe meines Lebens“ von der Party nach Hause geschleppt wird um ihr dann zärtlich die Brocken aus den Haaren zu pulen. Auch „Im Club“ spricht nochmal Hoffnung zu und macht das so direkt wie kein Kettcar-Song es je zuvor gemacht hat. Alle „stolzen Versager in sterbenden Städten“ und „vergessenen Denker“ sollen zusammenkommen und Kettcar zelebrieren die Gemeinschaft auch wenn sie versagt. Das macht zwar Mut, ist aber trotzdem alles andere als optimistisch. Alles, was darauf kommt, zeugt von Resignation oder bloßer Überforderung. Das heißt nicht nur, dass wie in „Kommt ein Mann in die Bar“ ein Mädchen mit gebrochenem Herzen am Glücksspielautomaten stehend rät doch einfach aufzuhören zu hoffen, die Mütter die Mäuse für die Schlangen der Kinder füttern und alles andere im Leben immer absurder wird – und all das überhaupt nicht witzig ist ohne jemanden an seiner Seite. Nein, selbst im Liebeslied „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ ist der Protagonist ohnmächtig und kann nicht ausdrücken, was er will ohne immer wieder nach den Geigen zu rufen…

Die Musik dazu ist tatsächlich nicht viel mehr als „die Musik dazu“. Immer gibt es Geigen, Bläser und Klavier, die alles noch melancholischer machen oder wie in „In deinen Armen“ einfach nur im Lounge-Stil die Stimme unterstützen. Das ist zwar nicht schlecht so, aber klingt manchmal so sehr nach übertriebenem Pop und Schlager-Pathos, dass man sich mehr Momente wie in „Schrilles, buntes Hamburg“ wünscht, das mit seinen E-Gitarren und dem kleinen Extratupfer Elektronik speziell an Sylt aber auch an frühere Alben erinnert. Hier wird sogar die Hoffnung einmal liegen lassen und die totale Ablehnung sorgt im Refrain dafür, dass sich der Slogan „Es muss immer komplett verwertet werden, wenn es komplett verwertet werden kann“ tief ins Gehirn einstampft.

Das Gesamterlebnis „Zwischen den Runden“ tröpfelt zwar so geschmeidig aus den Lautsprechern wie noch nie bei Kettcar und zeigt bei all seiner Melancholie doch immer diesen letzte Ausweg und nimmt in den Arm, aber die großen Momente haben sie ganz spärlich gesäht. An die Songs kann man sich zwar erinnern aber wenige reißen wirklich mit. Gleichzeitig ist aber der Text eigentlich darauf ausgelegt sofort zu treffen, schaffen das aber nicht immer. Stundenlanges interpretieren ist bei Kettcar nicht mehr angesagt 2012, aber diese tiefere Ebene fehlt jetzt.

6-7/10 Punkte


erstellt von Leon.

Dienstag, 7. Februar 2012

Marsimoto - Grüner Samt (Review)

Marsimoto ist eine durchaus einzigartige Erscheinung in der deutschen Rap-Landschaft. Wie viele schon mitbekommen haben sollten, handelt es sich hierbei um das Alter Ego von Materia, welches einen Faible für die Farbe Grün und Graskonsum hat. Nun sollte man als Neueinsteiger nicht erwarten auf ein deutsches Pendant zum Namensgeber Quasimoto, ein Alias von Madlib, oder derzeit hippen amerikanischen Weed-Rappern wie Curren$y zu stoßen. Nein, auf dieser Platte erwartet den Hörer eine überzeichnete Kunstfigur, die mit hochgepitchter Stimme u.a. die Glorifizierung von Indianern, seinen Kumpel, den Basketball und das Schicksal eines Wals auf elektronischen Beats thematisiert.

Mittlerweile beim dritten Album des Konzepts angelangt, hat man mit "Grüner Samt" ein sehr eigenständiges Werk abgeliefert, dass auf Seite der Raps komplett auf Features verzichtet und auch seine Instrumentals nur aus dem Green Berlin-Camp bezieht, zu dem u.a. Dead Rabbit, der schon am Debut "Halloziehnation" maßgeblich beteiligt war, und The Krauts, verantwortlich für Produktionen auf dem Materia-Album "Zum Glück in Die Zukunft", gehören. Dies garantiert eine sehr stringentes und homogenes Ganzes, einen Sound der den Drogenkonsum auch für den nüchternen Hörer erlebbar macht und eine entspannte, trotzdem schräge Atmosphäre. Die Produzenten lehnen sich dabei an unterschiedliche elektronischen Stile an, häufig scheint die Bezugsquelle in Form von Dubstep und Future Garage in London zu liegen, hin und wieder werden auch eher klassischere Hip Hop-Instrumentals eingestreut. Auch Samples finden sich so z.B. in "Grünes Haus" The White Stripes. Immer wieder ertönen Sounds, die an andere Acts erinnern. "Indianer" klingt wie ein sauberes Instrumental von Gonjasufi, in "Wo ist der Beat" findet man Kraftwerk-artige Synthies und "Absinth" endet mit einem zerstückelten, hippeligen Beat, der auch von Warp Records-Künstlern wie Squarepusher und Aphex Twin stammen könnte.

Auch textlich wird in vielen Gefilden gewandert, die immer wieder eine weitere Facette Marsimotos aufzeigen. Mal ist er der Wilde ("Zigeuner"), dann die Person, die prominente Todesfälle der Musikgeschichte mit erlebt hat ("Der springende Punkt") und zu guter Letzt "Der Sänger von Björk". Daneben bleibt noch genug Zeit klassisches Representing zu betreiben ("Grünes Haus"), sich vom Rest der Szene abzugrenzen ("Wellness") und der favorisierten Droge Liebeslieder zu schreiben ("Ich Tarzan, Du Jane").

"Grüner Samt" ist ein wirklich gelungenes Album mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit, welches sich mit 55 Minuten als äußerst kurzweilige, unterhaltsame Angelegenheit darstellt. Unnötigen Ballast wie auf vielen anderen Veröffentlichungen aus dem Bereich sucht man hier vergebens. Einziger Kritikpunkt ist das erste Viertel des Langspielers, das zum Rest der Platte etwas abfällt. Eins der frischesten Deutsch-Rap-Produkte seit langem.

8/10 Punkte




erstellt von Markus.

Samstag, 4. Februar 2012

Of Montreal - Paralytic Stalks (Review)

Die Lage, in der sich Kevin Barnes im Moment befindet, kann man als Zwickmühle beschreiben. Egal, was er mit Of Montreal macht, ein Teil seiner Fans wird es hassen. Aber das hat er sich voll und ganz selbst zuzuschreiben - so oft wie er seine Stile hin und her wechselt und mit jedem Album immer wieder die Richtung völlig ändert. Es löst nun mal Enttäuschung aus, wenn auf ein Weirdo-Pop-Album voller Selbstreflektion wie „Hissing Fauna, Are You The Destroyer?“ auf einmal die totale Abstraktion des Sounds zwischen Funk, Pop, Rock und Electronica mit den schweinigsten Texten aller Zeiten folgt wie auf „Skeletal Lamping“ nur um darauf dann auf einmal ein von R’n’B beeinflusstes Pop-Album folgen zu lassen wie „False Priest“ und die Elektronik fast raus streicht. An der Veränderung ändert sich auch 2012 nichts, aber „Paralytic Stalks“ versucht sich wenigstens daran die letzten Jahre dieser „Band“ musikalisch zusammenzufassen.

Dass das in einem heillosen Chaos ausartet, dürfte jetzt nach der Beschreibung schon jedem klar sein. Wie gut es aber ist, erkennt man erst nach mehreren Hördurchgängen, weil man dieses ganze Album erst in Ansätzen begreifen kann, wenn man es wieder und wieder und wieder und wieder hört; wenn man die Songs beginnt aufzuschlüsseln; wenn man sich nicht mehr so wundert wie in dem Moment, in dem man die Songs der 2. Hälfte zum ersten Mal hört, sondern Zeit hat um Spaß beim Hören zu haben und die Energie zu spüren. Denn ohne das kommt man durch die letzten 4 Songs nicht. Viel zu oft passiert z.B. im Closer, dem 13-minütigen „Authentic Pyrrhic Remission“, nämlich einfach das, was man auch nach dem 20. Mal immer noch nicht erwartet, weil auch die Refrains nie einfach so mit der gleichen Melodie wiederholt werden. Aber: das fesselt dann so wie diese 70er-Jahre-Krautrock-Alben, die man zwar nie ganz versteht und trotzdem immer wieder hören will.

Das seltsame daran ist aber, dass das Intellektuelle hier so hinter Pop und Hooks (mehrere pro Song) versteckt, dass der NeoProg, den Barnes scheinbar für sich entdeckt hat, nicht nervt und auch nicht so klingt als würde er jetzt bewusst „den Hörer fordern“. Man hat bei dem Funk- und Pop-Lehrer Barnes einfach Freude am Unterricht und will höchstens mal in die Pause, weil er mit der übermotivierten Spielzeit von knapp einer Stunde wirklich übertreibt und mit den Noise-Attacken, die statt einer Viertelstunde nur 5 Minuten gebraucht hätten. Dass er das mit der Soundcollage beherrscht ist nämlich nach dem einzigen Instrumental „Exorcistic Breeding Knife“ schon klar - auch wenn es mit 8 Minuten Spielzeit an sich schon zu viel des Guten ist.

Zum Glück sind die Ausflüge in andere Extreme wie in den Quasi-Folk von „Malefic Dowery“ oder den abgehobene Psychedlic-Jam in „Ye, Renew The Plaintiff“ nicht so lang und immer gepaart mit den offenherzigsten Texten der letzten 5 Jahre Bandgeschichte. Da muss wohl wieder eine Ehe gerettet werden wie damals bei „Hissing Fauna…“, denn anders sind Zeilen wie “Other people can say there is a true belief system/ But all my life I've been betrayed by my mother's religion/ Too much bitterness” gar nicht zu erklären, die so einen tiefen Eindruck in Barnes‘ Bild vom Leben, der Religion, der Liebe und allem bieten. Man wünscht ihm das natürlich nicht, aber für Texte, die so viel Nähe zum Künstler aufbauen, brauchen viele nun mal eine problematische Lebenslage.

Also gute Besserung, Kevin… Mit diesem Album sollte es aber eigentlich nicht mehr so schwierig sein das alles wieder einzurenken – das haben schließlich auch schon andere geschafft, denen „Paralytic Stalks“ in nichts nachsteht.

8/10 Punkte (Tendenz aufwärts)


erstellt von Leon.

Donnerstag, 2. Februar 2012

DropxLife - Furthur (Review)

Seine bisherige Bekanntheit erlangte DropxLife vor allem durch das Mitwirken an "Initiation", ein Stück aus "Echoes of Silence" vom vielgehypten R&B-Newcomer The Weeknd. Nun hat er ein kostenloses, 10-Track-starkes Mixtape namens "Furthur" ins Netz gestellt, dass es durchaus verdient angehört zu werden. Vom The Weeknd Sound ist das hier nicht allzu weit entfernt, auch wenn "Furthur" durchaus seine eigene Note hat. Ein weiterer schnell auftauchender Vergleich ist Clams Casino. Wenn sich in "OldxRain" eine flirrende Synth-Melodie aus Noise und Beat erhebt, erinnert das durchaus an Tracks wie das großartige, von Lil B mit Raps versehende "Motivation", auch "StillxShots" weist dank ähnlicher Struktur größere Ähnlichkeit mit dem ebenfalls von Clams Casino produzierten "Numb" auf, vielen auch bekannt als ASAP Rockys "Demons". Das Problem bei DropxLife ist, dass dort wo Clams Casino trotz Lo-Fi-Appeals und Verträumtheit den Instrumentals immer noch eine ordentliche Portion Drive und Groove verleiht, "Furthur" häufig trotz guter Ansätze nur vor sich hin dümpelt.

Doch die Platte hat durchaus ihre guten Momente. Der Opener ist einer davon. "MadexMen" ist ein gebrechlicher Beat, der es versteht Atmosphäre zu schaffen, die auch im weiteren Verlauf anhält. Basslastig geht es dann mit "BexForever weiter, welches man für ein Chopped & Screwed Instrumental halten könnte. Abseits von diesen Titeln und dem bereits erwähnten "OldxRain", findet man jedoch nicht viel überzeugendes Material. Insgesamt wirkt alles was man hört sehr introvertiert und entschleunigt, was grundsätzlich nichts negatives ist, hier aber leider auch ein Grund dafür ist, dass der Funken nicht wirklich überspringen will. Es fehlt einfach am gewissen Etwas, am kickenden Moment, am Drive. So bleibt lediglich eine Ansammlung von netten, atmosphärischen Tracks, die allerdings auch nicht dazu animieren, von der Repeat-Funktion gebrauch zu machen oder sie anderweitig ein weiteres mal zu hören.

Letztlich habe ich mit "Furthur" ein ähnliches Problem wie mit dem Output von Teebs, der teilweise an eine verspieltere, fröhlichere Variante von DropxLife erinnert, jedoch auf Albumlänge es ebenfalls nicht durchgängig schafft, sein musikalisches Material interessant genug zu gestalten. Fans der hier erwähnten Künstler sollten sich trotzdem einmal mit diesem Werk befassen, schließlich kostet der Download ja nichts und Potenzial ist durchaus vorhanden. Herunterladen kann man sich "Furthur" unter diesem Link.

5/10 Punkte

erstellt von Markus.

Dienstag, 31. Januar 2012

Verstärkung XVIMQ (Editorial)

Hallo Leser,

es geht wieder los und der für diesen Blog ja schon "oldschoolige" Titel deutet ja schon an, dass die Redaktion jetzt wieder größer wird. Von Nick werden ab jetzt Alben aus dem Bereich Indie-Rock und Rap rezensiert - Markus wird sich im Gegenzug wieder mehr auf Electro und Indie-Pop/Rock konzentrieren und auf dem Rap-Feld erstmal kürzer treten. Außerdem wird sich wahrscheinlich doch nicht so viel am Blog selbst ändern. Ihr werdet hier auch weiter noch die bewährten Kritiken in alter Form mit neuen Themen vorgesetzt bekommen, nur die News werden wegfallen und Specials (auch mal Interviews oder "Stories") sollen zu einem festen Bestandteil werden... Mal sehen, wie das neue Jahr wird, wir haben viel vor und wünschen euch

Viel Spaß beim Weiterlesen,

die Redaktion.

P.S.: Wünschen für Specials könnt ihr unter jedem Editorial als Kommentar posten. Die werden wir uns immer angucken!

Sonntag, 22. Januar 2012

Umstrukturierung (Editorial)

Hallo Leser,

wie man schon am Titel vom Post sieht, stecken wir gerade in einer Umstrukturierungsphase, weil wir einfach keine Zeit mehr haben. Diesen Blog zu 2. zu leiten, ist einfach zu viel Arbeit neben der Schule, anderen Hobbies und bei mir auch noch neben der Fahrschule. Trotzdem werden hier noch Kritiken zu aktuellen Alben erscheinen, nur nicht mehr so häufig in der ausführlichen Form, in der sie bis jetzt waren. Die News sind auch relativ zeitaufwendig und werden keine Rolle mehr hier spielen. Das sind aber bis jetzt nur Zwischenergebnisse und wenn sich hier oder an anderer Stelle noch Helfer melden, wird dann doch wieder alles ganz anders.

So verwirrt wünsche ich euch dann mal viel Spass beim Weiterlesen, bis bald,
Leon.

Sonntag, 15. Januar 2012

Alben des Jahres 2011 - Leon

Wie gut ein Jahr war erfährt man ja meistens erst Jahre später, wenn sich Alben als persönliche Klassiker durchgesetzt haben, aber 2 Alben aus 2011 hätten bei mir auf jeden Fall die Chance dazu und stehen ganz vorne auf der gleich folgenden Liste. Bevor ich die anfange, will ich auch nochmal betonen, das sich noch viel verändern kann. Viele dieser Alben haben zwar einen ziemlich festen Platz, aber "Mein kleiner Krieg" von Mutter scheitert bis jetzt einfach am Einzug in die Liste (und wahrscheinlich Top 10), weil ich die Platte erst 3, 4 Mal gehört hab. EPs sind übrigens genauso wenig enthalten wie die geniale Smile Sessions der Beach Boys. Darum hier noch mal einen kleinen Überblick über meine Lieblings-Kleinformate des Jahres. Da gibt es erstmal die Awake EP von Trash Talk, die musikalisch für mich das Beste ist, was sie je gemacht haben, aber ein ganz kleines bisschen an Ecken und Kanten verloren hat. Die Manx EP von Maeckes war das Deutschrap-Release meines Jahres - die Amateurhaftigkeit wie halbfertige Beats mit genialen Lyrics verschmelzen ist einfach Einzigartig. Future Of The Left habe ich hier ja sogar besprochen und Polymers Are Forever hat keinen Teil seines Abhängigkeitspotentials verloren und deutet auf eins der besten, dreckigsten und schmutzigsten(ja, da gibt es einen Unterschied) Alben des nächsten Jahres hin. Die Comecrudos EP hingegen deutet eher auf eine ziemlich seltsame LP aus dem nächsten Jahr hin. Diese 24 Minuten Landschaftsbeschreibung sagen über das nächste Großprojekt von Pontiak aber wahrscheinlich eher wenig aus. Zum Schluss muss auch noch Burial erwähnt werden, der auf Street Halo so schön das Gefühl rüberbringt, das man hat, wenn man nach dem Feiern einfach in die Stadt kotzen möchte. Aber jetzt erstmal viel Spass mit meine Liste.

20. The Dodos – No Color

No Color fängt an mit einem typischen Dodos-Beat, so abstrakt wie er sein muss und nach dem enttäuschenden Singer/Songwriter-Folk Ausflug auf dem Vorgänger „Time To Die“ ist das echt eine Überraschung. Und gerade als man sie dafür umarmen will, kommt es noch besser und durch eine Symbiose aus Freak-Folk und Folk-Pop entsteht der Opener „Black Night“. Die Art, in der im Laufe des Albums dann noch ein Stück Noise-Rock in den Mix einfließt, hat auch nur mit der neuen Reife im Sound der Dodos Sinn. Dadurch klingt zwar nur noch wenig so verspielt wie auf ihren frühen Alben, aber das könnte man ihnen auch nicht mehr abkaufen. Der Spass, den man bei Meric Long immer erwartet, ist zwar trotzdem noch da, nur muss man ihn sich jetzt halt erarbeiten – und das ist nur höchstens so wiedersprüchlich wie der Verlauf von „Going Under“, der so klingt als hätten Animal Collective einen Song mit Robin Pecknold aufgenommen bei dem die Synthies draußen bleiben mussten.


19. Samsara Blues Experiment – Revelation & Mystery

Noch nie war die Versuchung größer sich eine Horde Kiffer beim Headbangen vorzustellen. Denn genau dazu liefern SBE hier den Soundtrack ab. Nach der Energie, die bei einem Auftritt dieser Band verbraucht wurde, kann man zu Colour Haze dann auch bestimmt gleich viel besser abgleiten. Und so unterschiedlich sind die beiden genannten Bands dann auch gar nicht. Wo bei Colour Haze immer noch ein tranciges Riff eingeschoben wird, gibt es hier dann einen Stimmeinsatz oder manchmal sogar einen hektischen Umschwung, der die Heavy-Stoner-Atmosphäre ein bisschen aufweckt. Immer schön zwischen die Stühle!


18. Rainald Grebe – Zurück zur Natur

Es ist 2011 und jeder singt über Liebe und Gefühle? Eigentlich kann das nicht sein, wenn es soviele politische Themen gibt. Selbst der Punk oder Hardcore praktiziert die Nabelschau und macht teilweise wie La Dispute oder Fucked Up sogar Konzeptalben. Dann muss sich eben der mittlerweile 40-jährige Rainald Grebe neben seinen eigenen Gefühlen auch noch um die Politik kümmern. Und mit der musikalischen Abwechslung, die mittlerweile in seiner Musik steckt, wird das sogar richtig interessant. Wenn er die Talking Heads, Leonard Cohen und alle anderen, die er so nebenbei erwähnt jetzt auch noch in seinen Sound integrieren würde, gäbe es aber noch mehr zu feiern als ein wirklich gutes Pop/Rock-Album.


17. The Black Keys – El camino

Eine typischere Band für das vergangene Jahrzehnt wird es wohl nicht mehr geben. Alles an den Black Keys ist ein einziges Revival, kein Riff hört sich wirklich „neuartig“ an und die Drums treiben relativ „gewöhnlich“ – eine Mischung aus Garage Rock mit ein paar Spritzern T-Rex und mittlerweile übermenschlich großer Produktion. Das dabei nicht unbedingt Spannendes herauskommt und selbst ein Song wie „Little Black Submarine“ nicht ins Anspruchsvolle abgleitet, obwohl er die Verschmelzung von Folk-Rock und Hard Rock betreibt, ist dabei gar nicht schlimm. Die Hauptsache ist hier einfach nur, dass es rockt und wenn dabei auch noch solche Hits abfallen, kann man Dan Auerbach und Patrick Carney den Erfolg nur gönnen.


16. Black Rust – The Gangs Are Gone

Ein Album als roter Faden gesponnen – jeder Song folgt thematisch auf den anderen und genau wie sich die Gefühle im ständigen Auf und Ab befinden, kommt auch die Musik mal als leiser Gitarren-Folk-Song daher oder packt mit Bläsern, Streichern, Piano alles aus, was man im Americana gerade noch machen darf. Das erinnert teilweise an Größen wie Neil Young, schrammt aber vor allem bei den leiseren Songs nur knapp an „zu brav“ vorbei. Das wird an anderen Stellen mit E-Gitarren-Einsätzen zwar wieder ausgeglichen, aber der einzige Spielraum, den sie für das nächsten Album jetzt noch haben ohne belanglos zu werden, ist der Weg weg vom Leisen. So wie es hier klingt ist es aber noch unglaublich guter Americana aus Münster.


15. Haken - Visions

Visionen sind ja auch irgendwie Traumtheater und Haken wandeln auf den Pfaden dieser Progressive-Götter und übertreffen mit diesem Album jetzt sogar alles, was Dream Theater auf ihren letzten Alben veranstaltet haben. Growling und Metal spielen da zwar nicht mehr so eine große Rolle wie auf ihren vorherigen Releases, dafür ist das Album aber mehr als je zuvor von (schwierigen) Zusammenhängen geprägt und wird dadurch so episch wie Musik nur seien kann. Und nur durch Übertreibung kann man in diesem Klischee-Genre ja überhaupt noch Großes vollbringen. Das beeindruckt niemanden, der Prog für ein Altherrenthema hält, aber auf der Basis des Genres ist bei Visions einfach alles gegeben: Virtuosität, Entwicklungen innerhalb der Songs und zwischen den Songs, Konzepte. Das Besondere an Haken ist dann aber, dass vor allem ihr Sänger, Ross Jennings, aber auch die Band als Ganzes noch Emotionen auslösen kann und nicht so steril (obwohl die Produktion strahlt) ist wie einige ihrer Genre-Kollegen.


14. Noah And The Whale – Last Night On Earth

Nachdem sich ein Drumcomputer und viele Synthies gleich am Anfang umschwirren, glaubt man erst nicht, dass das noch Folk seien kann. Aber die Stimme von Charlie Fink und das gesamte Arrangement mit Chören und Piano geben dem Opener „Life is Life“ eine glückliche Atmosphäre ganz ähnlich wie sie auf Peaceful, The World Lays Me Down 2007 war und rückt das Bild der ersten Töne ganz vorsichtig wieder gerader. Das setzt sich dann auch größtenteils so fort, mal mit mehr Gitarre, mal mit Geigen, aber immer als elektronische und fröhliche Neuerfindung der Band nachdem sie sich auf dem großartigen Vorgänger The Last Days Of Spring ja noch melancholisch zeigten und eine Auflösung danach gar nicht so unwahrscheinlich war. Schön das es euch noch gibt und danke für dieses Stückchen… Musik.


13. Profesjonalizm – Chopin Chopin Chopin

Nein, das hier ist keine Neuaufnahme von Chopin-Stücken, sondern ein polnisches Jazz-Sextett. Der Name will sich eigentlich nur lustig machen über die Ausbeutung von Chopin in polnischer Musik, die Musik will eigentlich nur Spaß machen, hat sich dazu aber die denkbar schlechteste Basis, nämlich Avant-Garde Jazz im Stile des 50er- und 60er-Bebop von z.B. Thelonius Monk ausgesucht – und dieses Ziel trotzdem erreicht. Das 4-minütige und damit kürzeste Stück Dęty ist eins der von mir am meisten gehörten Stücke dieses Jahres, da die treibende Rhythmusgruppe einfach immer wieder Freude macht und die komplexe Melodie, die immer wieder in Improvisationen durch jegliche Tonleitern gehetzt wird auch beim 50. Mal noch interessant ist. Die anderen Songs stehen da in nichts nach und insgesamt bietet das Album mit vielen Stimmungen und einigen atmosphärischeren Tracks auch Abwechslung. Damit kann ich auch schon nicht mehr schreiben über ein Album über das man eigentlich gar nichts schreiben sollte, sondern es einfach hören muss um Ahnung von seinem Sound zu bekommen.


12. Sandro Perri – Impossible Spaces

Was verdammt ist das? Da kommt irgendsojemand daher und presst einen minimalistischen Ansatz, der teilweise an Talk Talk erinnert zusammen mit einem Kraut-Prog Stil wie ihn Hoelderlin auf Platte gebracht haben und dann macht er daraus eine Folktronica-Platte, die zwischen den beiden Extremen des Genres nach Belieben hin- und hertingeln kann. Dass das dabei auch irgendwie zu Jazz wird, dürfte niemanden verwundern, dass es auch auf 10-Minuten-Songs nicht unnötig unverständlich wird, sondern irgendwie immer noch Emotionen vermitteln kann, zeugt von einem Riesentalent.


11. Young Circles – Jungle Habits

“Light up and let the feeling move ya/ I sell that friends to consume ya// you wanna feel alive//” So und jetzt Hornbrillen auf und ab in die Hipster-Indie-Disco. Wenn man “Jungle Habits” nur so antestet und bei dem Hedonismus der Platte nicht mal ein Auge zudrücken kann, kann man tatsächlich denken hier hätten sich ein paar Musik-Elitisten zusammengetan um ein bisschen das auszuformulieren, wofür Animal Collective und Radiohead zu viel Stolz haben. Aber das wäre erst mal gar nicht wirklich schlecht und wenn dabei zweitens sowohl ein Banger wie „2012“ rauskommen als auch ein experimenteller Jam wie „Jangala“, sollen sie doch so seltsam sein wie sie wollen. Eine Empfelung auch für jeden, der findet, dass man generell zu wenig Gesangseffekte in aktuellem Indie hört.


10. Has-Lo – In Case I Don’t Make It

Manche Rapper chillen mittlerweile hinter Rauchschwaden und klingen auch so, andere sind immer noch Gangster und haben immer noch alle Bitches und ticken Drogen. Bei all diesen (oft zurecht) Aufmerksamkeit suchenden Personen übersieht man so jemanden wie Has-Lo schnell. Der sitzt lieber bei Kerzenlicht in seinem Dichterzimmer und übersetzt seinen tief melancholischen (In Case I Don’t Make It) oder sogar gesellschaftskritischen (Kinetic Energy) Poetry Slam-Stil in Raps. Und die werden hinter nichts versteckt sondern durch die minimalen und vor allem auf klassischen Instrumenten basierenden Beats eher in den Vordergrund getrieben. Das bisschen Vordergrund kann er sich auch erlauben, so zurückhaltend wie die Musik ist. Nichts, nicht mal die Flows hier, drängen sich auf, obwohl alles gut bis perfekt ausgearbeitet ist. Das hier ist HipHop zum hinhören und analysieren und so wunderbar eigenständig.


9. Portugal. The Man – In The Mountain In The Cloud

Was passiert, wenn Musiker sich entfremden, streiten, kaum mehr schlafen und eigentlich nichts mehr funktioniert? Das kann in einem spannungsgeladenen Album enden oder in der Auflösung. Im Falle von Portugal. The Man führt es einfach nur dazu, dass sie ihrer Diskographie noch ein Spitzenalbum hinzufügen können. Nur ein Fehler ist ihnen dabei unterlaufen: Alles auf ITMITC ist Pop und damit kann ein Song nicht gut sein, wenn die Melodie nicht gefällt oder mitreißt. Bei 10 Tracks, die sich allesamt zwischen den Beatles, T-Rex und David Bowie positionieren, kann das System kaum aufgehen, ohne dass man mit einem Song rausgeht, der nunmal nicht so toll ist. Für mich ist das „Once Was One“, der ganz subjektiv einfach nicht mein Fall und mir zu sacht ist. Der 11. Track bildet die Ausnahme auf diesem Album: „Sleep Forever“ kann man eigentlich gar nicht nicht mögen, wenn man Gefühle hat. Der Aufbau von einer Gitarrenmelodie zu einem Song mit Chören, Streichern und allem was dazu gehört, reißt einfach mit und mit dem Text über die Sehnsucht nach einem Ende NACH dem Tod will man sich eigentlich mal in eine einsame Hütte in Alaska begeben nur um zu verstehen, was John Gourley da sagen will. Zusammenfassung: Solides Album mit Ausreißern nach unten und viel mehr nach oben.


8. Radiohead – The King Of Limbs

Dafür haben die 4 Jahre gebraucht? Das kann ich ja in ner Woche in meinem Fruity Loops zusammenschustern, das wiederholt sich ja ständig und das ist viel zu kurz und sie haben uns betrogen! Ja, das musste man sich echt anhören, wenn man King Of Limbs vor alten Fans, die sich OK Computer zurückwünschen, verteidigt hat. Und so Unrecht haben sie auch gar nicht damit, dass hier nicht viel Musik zu finden ist und Vieles immer und immer wieder wiederholt wird. Aber damit haben sie im Prinzip nur gezeigt wie wenig man machen muss um Atmosphäre zu erzeugen: ein vertracktes Beatfragment, unverständliche Stimme und eine Menge, das nur im Hintergrund abläuft, reicht bei Radiohead damit man an Can denken muss. Dabei ist die Musik auf diesem Album, die so gar kein Genre kennt vor allem daraus auf Gefühle zu erzeugen – von Isolation, Naturverbundenheit, technischer Distanz zwischen Menschen könnten diese Songs handeln, wenn man die Texte nur so interpretieren will und genauso fremd wirkt auch alles auf King Of Limbs. Das nennt man dann wohl stimmig.


7. Chuckamuck – Wild For Adventure!

Deutscher Punk ist ein seltsames Thema. Die meisten Leute denken dabei nur an Manschen, die mit ihren Hunden auf der Straße betteln, andere an die Ärzte oder die Toten Hosen. Obwohl fast jeder eine Meinung zu diesem Thema hat, weiß also eigentlich kaum jemand, was für geniale Bands es (vor allem in Berlin) gibt. Chuckamuck ist eine der neuesten davon: fast alle Mitglieder waren bei der Aufnahme noch minderjährig und sind ein Beispiel dafür, was die Black Lips in „Bad Kids“ besungen haben. Die Musik dazu ist ein schlampig eingespielter und dreckig produzierter Mix aus Rock’n’Roll und Punk ganz im Sinne der schon genannten Amerikaner. Alles, was dazu kommt (Geigen, „Geister-“Orgel usw.) und alle seltsamen Strukturen der Musik erschaffen intelligente Musik, die vor allem bei den englischsprachigen Songs Unmengen an Spaß macht. Im Endeffekt ist aber gerade die Wiederholung bei diesen Songs das einzige Problem des Albums. Texte über Schokoriegel, Sex auf der Schaukel oder die eigene Geilheit sind natürlich besser als „hsbgdhjfsdmngframdfshm, Walk Like A Duck“.


6. BRAIDS – Native Speaker

Die Kanadier kopieren auch wirklich alles und jetzt sogar Animal Collective – aber diesmal geben sie es immerhin zu. Wer BRAIDS auf ihre Standardreferenz anspricht, stößt bei ihnen auf Freude weil sie mit ihren Helden verglichen werden. Dabei können sie noch viel mehr für sich verbuchen. Die Arbeitsweise ist scheinbar erstmal die gleiche. Mit Sounds bei denen man sich fragt wie sie entstehen konnten, werden hier simple Melodien und Harmonien abstrahiert bis nur noch Stimmungen überbleiben, die mit ungewöhnlichem Gesangseinsatz überstülpt werden. Das Interessante hier ist aber, dass das manchmal so in Schönklang gipfelt wie sonst nur Post-Rock-Acts wie Remember Remember, dabei aber immer noch unglaublich verschlossen klingt. Wenn Stellen wie das perkussive „fucked up“ in „Glass Deers“ dann aber anfängt sich m Kopf festzubohren genauso wie die taub-aus-der-Disco-kommen-Atmosphäre von „Lammicken“, will man das Album immer wieder hören. Das ist im Endeffekt dann so wie Yeasayer, wenn man noch 10 Anläufe mehr für sie brauchen würde.


5. The UV Race – Homo

Ich will jetzt nicht Velvet Underground oder dem Krautrock den Humor absprechen. Trotzdem kann man den Sound von Homo nur als krawallende und lächerliche Verbindung von beiden beschreiben. Wirklich neu ist hier nichts, der Sound ist Garage-Punkig, die Songs Proto-Punkig, die ausufernden Teile krautig-repititiv und noisig und sogar der Wechsel von weiblichem und männlichem Gesang ist irgendwie geklaut. Aber wie sie das alles verbinden und dabei ihren eigenen Stil finden, ist beispielhaft. Wäre Lou Reed schon tot, könnte man sagen, er war bei den Aufnahmen wahrscheinlich als Geist im Studio anwesend und trotzdem hört man hier nicht 10 mal „Heroin“ oder „Run Run Run“, sondern 10 mal The UV Race mit all ihren Eigenheiten. Der Trick dabei ist 1. alles schlechter zu machen als man es könnte und 2. sich für nichts zu schade zu sein.


4. Low – C’mon

Low konnten gar nichts mehr falsch machen an diesem Album ausser das, was sie auf den Vorgängern falsch gemacht haben. Das hört sich komisch an ist aber so. Wo es auf The Great Destroyer noch zu allererst mal gelärmt hat, herrscht hier die pure Emotion, wo auf Drums And Guns das Experiment im Vordergrund gestanden hätte, herrscht hier die pure Emotion und wo es auf den Releases davor manchmal (eigentlich sehr selten) auch mal langweilig geworden wäre, herrscht hier schon wieder, natürlich, die Emotion. Und weil Emotionen nicht falsch sein können, ist es egal ob der einzelne Song jetzt Slowcore, Folkrock oder Country ist, weil so Oberflächliches gar nicht mehr zählt bei dieser Band. Sie sind schließlich „Nothing but Heart“ und könnten von mir aus jetzt sogar anfangen zu stagnieren.


3. Causa Sui - Pewt'r Sessions 1&2

Darf ich einfach sagen, dass das Musik ist über die man nicht schreiben kann und dann doch einfach nur 2 Sätze schreiben, die wenigstens ein bisschen Inhalt haben? Ja, das darf ich. Causa Sui ist das was man hören will, wenn man auf das DunaJam geht. Irgendwo zwischen Jazz und Rock und so weit da draussen, dass sich Psychdelic, Stoner und Post-Rock schon wieder zu Progressive Rock verbinden. Das ist bei der 1. Pewt'r Session songorientierter und bei der 2. bekommt man 3 Epen zu hören. Fertig, hört es euch an.


2. La Dispute – Wildlife

Eine Revolution! The Wave macht alles besser! Die neuen At The Drive-In! Ne Quatsch, ich bin keiner dieser Fanboys und klatsch euch hier keine dämliche das-beste-und-neueste-was-es-gibt-Review hin. Aber auch wenn man auf den Hype-Zug nicht aufspringt, kann man „Wildlife“ als wirklich gutes Album wahrnehmen, dass Post-Rock und Postcore zusammenbringt. Dabei sind sie nicht immer heavy und nicht immer schnell und aggressiv, obwohl ihre Musik vor allem Verzweiflung vertont. Nein, hier steht die Verzweiflung sogar noch vor der Musik und die macht sich dabei klein und ist schüchtern oder besser eingeschüchtert. Das passt dann aber auch schon wieder auf den „Geschichtenerzähler“ Jordan Dreyer, der an all seinen Stories wie ein gelähmter Betrachter daneben steht und die Figuren alles selbst machen lässt – und das tut weh; so weh, dass man selbst zu einem Mörder eine emotionale Beziehung aufbauen kann bis er sich am Ende von „King’s Park“ die Kugel gibt. Fast perfekt ist das, wenn man nicht ab und zu das Gefühl kriegen würde, einige kleine Längen fänden nur um des Textes Willen statt. Darum ist das hier auch nur Platz 2.


1. Urlaub in Polen – Boldstriker

Sicherheit ist der Feind des Musikers. Wenn man sich als Band sicher ist, was der Fan hören will, kopiert man sich irgendwann wahrscheinlich selbst. Wenn man finanziell nichts zu befürchten hat, muss man nicht mehr so viel in seine Musik investieren. Wenn man familiär abgesichert und glücklich ist, werden die Texte oft langweilig. Zum Glück gibt es so Pools der Unsicherheit wie UiP. Irgendetwas zu kopieren steht den beiden eh fern und so kann man sich als Fan kaum darauf einstellen, was da als nächstes kommt – sogar von einem Song auf den anderen ist das auf Boldstriker extrem schwer. Finanzen sind bei diesem Nebenprojekt wohl immer schon Nebensache und mehr mit der Musik zusammen als die beiden kann man kaum sein. Das ist die Basis für dieses Album, das einfach größer ist als alle davor und sich trotzdem teilweise so reduziert wie nichts, was sie vorher gemacht haben. 9 Songs brauchen sie um das Terrain zwischen Sonic Youth, Neu! auszuleuchten und mithilfe ihres bewährten Drumcomputers komplizierte Skizzen (Lore-Ley I), tanzbare Monster (Snowwhite) oder echte Rocksongs (Rebel And Waste) zu erschaffen. Das ist das logische Ende dieser Band, aber nicht das logische Ende der Musik von Georg Brenner und Phillip Janzen. Die werden auch weiterhin den Kraut zurückbringen und wenn das so weitergeht wie auf Boldstriker angedeutet, kommt da etwas Großes auf die Musikwelt zu.

Weitere Honorable Mentions: Prinz Pi, Yob,Timber Timbre, Tufu, Boots Electric, Projekt Gummizelle, Astronautalis, Hannah Peel, Black Lips, Ghostpoet, Weekend, Götz Widmann

2012?
Kettcar! Of Montreal! fun.! Die Ärzte! Perfume Genius! Janelle Monae? Animal Collective? Godspeed You! Black Emperor? MF Doom?? R.A. The Rugged Man?? The Tallest Man On Earth? Pontiak! Portugal. The Man?! Colour Haze!

Dienstag, 10. Januar 2012

Alben des Jahres 2011 - Markus

Im Jahresrückblick 2010 hatte ich mich noch über die mangelnde Quantität an wirklich guten Alben beschwert, großartig geändert hat sich dieser Zustand nicht, doch wenn man sich damit arrangiert, dass echte Knaller eher Mangelware sind, gab es auch dieses Jahr eine Menge guter Alben zu hören. Wie man feststellen wird, stammen diese bei mir vorrangig aus dem Bereich des Hip Hops, jedoch finden sich in meiner Liste auch Indie, Electronic und in einem Fall sogar Post-Rock wieder, obwohl ich bisher nie Fan von diesem Genre wurde. Bevor es in meine Top20 geht, hier noch ein paar Veröffentlichungen, die ich gern erwähnt hätte, bei denen es sich jedoch um EPs und nicht um Langspieler handelt. Zum einen wäre da "Satin Panthers" von Hudson Mohawke welches neben dem absoluten Banger "Thunder Bay" noch mit 4 weiteren gelungenen Wonky-Tracks aufwartete. Auch "Life Sux" von Wavves konnte überzeugen, wie auch die EPs von Prinz Pi und ASAP Rocky. Abschließend muss noch gesagt werden, dass die Liste nur eine Momentaufnahme ist und die Platzierungen noch variieren werden. Zudem habe ich bis dato noch nicht geschafft alle vielversprechenden Alben des vergangenen Jahres oft genug zu hören, so dass es gut möglich ist, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt auch noch die aktuellen Veröffentlichungen von Hiob oder Shlohmo hier wiederfinden würden. Nun aber zu meinen persönlichen Highlights.


20. Portugal. The Man - In The Mountain In The Cloud

Das zweite Album der Band, nach "The Satanic Satanist", mit dem ich mich genauer beschäftigt habe, kommt zwar nicht an das eben genannte heran, hat aber dennoch seine Höhepunkte. Es finden sich zwar auch Füller, jedoch können Stücke wie "Floating" und "Got It All" als schön instrumentierte und mitreißende Popsongs überzeugen.


19. Korallreven - An Album by Korallreven

Eigentlich hatte ich mir von diesem Album einiges mehr erhofft. 5 von 10 Tracks waren schon bis zu 2 Jahre lang im Netz und waren auch äußerst gut, jedoch haben sie mittlerweile einiges von ihrem Charme und ihrer Frische durch häufiges Hören eingebüßt. Da die restlichen Stücke mich leider nicht wirklich kicken, ist "An Album by Korallreven" zwar ein theoretisch gutes Album, in der Praxis jedoch eher uninteressant, da man die Höhepunkte schon häufig gehört hat. Nichts desto trotz sind Tracks wie "Loved-Up" und "As Young As Yesterday" immer noch großartig, so dass das Album hier nicht fehlen darf und Personen, die die Band noch nicht kannten, durchaus überzeugen können sollte.


18. Tufu - Hässlon

Diese Platte ist nicht besonders spektakulär, jedoch trotzdem gelungen. Battle-Rap gegen Kommerzialisierung, Pseudo-Individualität und Wack MCs auf dunklen Sample-Beats. Gabs schon mal, klingt hier aber dank der gewissen Vetrackheit der Instrumentals und dem fokusierten Vortrags Tufus trotzdem frisch.


17. Cut Copy - Zonoscope

Nein, das Niveau des tollen "In Ghost Colours" aus dem Jahr 2008 erreicht Cut Copys drittes Album nicht. Trotzdem finden sich hier einige wirklich gelungene Songs mit Hitcharakter wie "Where I'm Going", die nahtlos an die Ohrwurmqualitäten von "So Haunted" oder "Far Away" anschließen können. Ein nettes Indie-/Electro-Pop-Album.


16. 4 Trackboy & Echomann - MMX

Auf "MMX" bekommt man das, was man erwartet, wenn der Retrogott und Twit One kollaborieren: smoothe, soulige Beats und gute Battle-Raps mit intelligenten Wortspielen. Ein lockeres und auch gelungenes Release.

15. Mogwai - Hardcore Will Never Die, But You Will

Eigentlich bin ich kein Fan von Post-Rock, doch die Genre-Helden Mogwai schaffen es auf diesem Album den Stil auch für Leute wie mich ansprechend und spannend genug zu gestalten, so dass die Höhepunkte wie "Rano Pano" wirklich fesseln können.


14. The Midnight EEz - The Midnight EEz

Genau genommen gehört diese Platte gar nicht hier her, denn bei The Midnight EEz handelt es sich nicht um aktuell in der Öffentlichkeit aktive Musiker, sondern um ein unbekanntes Produktionsduo, das irgendwann 1995/96 eine Instrumental-Tape an ein Label verschickte, wo dies allerdings bis vor kurzem in einer dunklen Ecke verweilte, bis es bei einem Umzug entdeckt und später dann gemastert wurde. Trotz der späten Veröffentlichung, wissen die 14 Beats auch heute noch, mit ihrem klassischen, trockenen Oldschool-Sound zu überzeugen.


13. Neon Indian - Era extraña

Mit seinem Debut legte Alan Palomo ein äußerst kurzweiliges Synth Pop-Werk ab, an dem er sich nun messen lassen musste. So ganz ist es ihm nicht gelungen dieses Niveau erneut zu erreichen, doch auch auf "Era extraña" finden sich einige wirklich gute Songs, die sich gekonnt zwischen Electronic, Chillwave, Shoegaze und Pop bewegen.


12. Big K.R.I.T. - ReturnOf4Eva

Big K.R.I.T. ist ein Rapper mit vielen Facetten. Er kann sowohl das Feiern im Stripclub als auch den Umgang mit Stereotypen passend thematisieren. Dies erklärt warum auf den Veröffentlichungen von so unterschiedlichen Akteuren wie Ludacris und The Roots zu finden ist. Diese Variabilität zusammen mit lyrischen und technischen Fahigkeiten und seiner Stärke als Produzent machen "ReturnOf4Eva" zu einem äußerst abwechslungsreichen und musikalisch gelungenen Werk.


11. Knowsum - The Most Awkward

Ein weiterer guter Beat-Bastler ist Knowsum, ein 18-jähriger aus Mainz, der auf "The Most Awkward" 37 seiner Beats zusammenstellte, die den Eindruck verstärken, dass hier ein äußerst talentierter Herr am Werk ist, der in der Lage ist hervorragende, auf Sampling basierende laid back-Beats zu produzieren. Ich bin gespannt auf das, was er demnächst noch so veröffentlichen wird.


10. Clams Casino - Instrumentals

Er ist mitverantwortlich für die besten Tracks auf "LiveLoveA$AP", arbeitet zusammen mit Lil B, The Weeknd und vielen weiteren aktuellen Künstlern. Ja, Clams Casino ist definitiv einer der interessantesten Akteure unter den US-Produzenten. Einige seiner bisher besten Instrumentals wurden Anfang des Jahres auf einem Mixtape zusammengestellt und später dann auch auf Vinyl veröffentlicht. Wer wissen will, was Cloud-Rap ausmacht, sollte sich diese Platte hier unbedingt einmal anhören.


9. The Streets - Computers and Blues

Ich muss zugeben, dass dies das erste Album von The Streets ist, mit dem ich mich näher beschäftigt habe. Auch wenn das Werk im Gegensatz zu früheren Werken weniger positiv aufgenommen wurde, habe ich durchaus meinen Gefallen gefunden. Ein abwechslungsreiches Klangspektrum zwischen Hip Hop, Electronic und Pop plus die nicht spektakulären, dennoch gelungenen Texte von Mike Skinner ergeben ein eingängigen und durchaus würdigen Abschluss des The Streets-Projekts.


8. Brenk Sinatra - Gumbo 2: Pretty Ugly

Das neben Twit One stärkste Instrumental-Werk war dieses 23 Tracks starke Album des Wieners Brenk Sinatra, der, wenn er nicht gerade Beats raushaut, u.a. MC Eiht und Guilty Simpson mit Instrumentals beliefert. Basslastige Banger treffen auf klassisches Soulsampling und jazzige Stücke für die Abendstunden. Ein herrvoragendes, abwechslungsreiches Album, dass trotzdem wie aus einem Guss wirkt.


7. The Pains Of Being Pure At Heart - Belong

Das beste Indie-Rock/Pop-Release des Jahres stammt von dieser charmanten Band mit dem langen Namen. Wo ihr Debut noch noch ein wenig den Druck vermissen ließ, haben sie nun eine Schippe draufgelegt. "Belong" wirkt kräftiger, orientiert sich stärker an The Smashing Pumpkins, liefert mit "Even In Dreams" eins meiner Lieblingsstücke des Jahres und ist somit ein wirklich gelungener Zweitling.


6. Mac Miller - Best Day Ever

Er ist einer der größten Duschstarter im aktuellen US-Rap-Geschehen und das nicht zuletzt wegen seiner Mixtapes. Zwei hat er davon neben seinen Debutalbum dieses Jahr veröffentlicht, wobei "Best Day Ever" sowohl seinen "richtigen" Langspieler "Blue Slide Park" als auch das zweite diesjährige Tape "I Love Life, Thank You" übertrifft. Mit Hits wie "Donald Trump" und "Wake Up" gibt es hier Pop Rap der guten Sorte und eingängige, frische Beats.


5. Twit One - Stepping Stones

Die Spielzeit dieses Albums beträgt zwar nur 15 Minuten, doch trotzdem reicht die Zeit um festzustellen, dass es sich bei Twit One um einen der talentiertesten Beatbastler im deutschsprachigen Raum handelt. Seine hervorragendes Gespür für Samples und die tollen Tunes, die er aus alten Plattenkisten herausgezogen hat, machen "Stepping Stones" zu einer kurzweiligen, angenehmen musikalischen Reise durch Hip Hop, Soul und Funk, frei nach Tocotronic: "Harmonie ist eine Strategie". Hier ein äußerst gute.


4. Casper - XOXO

Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, dass ein Rapper mit äußerst kratziger Stimme, auf von Indie und Post-Rock beeinflussten Instrumentals, die negativen Gefühle der Jugend thematisierend, in Deutschland Gold gehen würde? Vermutlich nur Wenige. Doch Casper hat es geschafft. Einer der seltenen Fälle, in denen sich musikalische Qualität und Verkaufserfolg ungefähr die Waage halten. Sicherlich überschreiten die Texte manchmal die Grenze zum Kitsch und triefen vor Pathos. Jedoch schafft der 29-Jährige es einfach mitreißende Songs zu schreiben, die emotional berühren.


3. ASAP Rocky - LiveLoveA$AP

Lyrische Neuerungen und Glanzleistungen findet man auf diesem Mixtape nicht, dafür aber grandiose, eigenständige Beats, Coolness und eine gehörige Portion Swag. Produzent der Stunde Clams Casino, Ty Beats und weitere haben einen Klangkosmos zwischen Nebelschwaden, Betäubungsmitteln und Erhabenheit erschaffen, innerhalb dessen ASAP Rocky seinen Status als Pretty Motherfucker zementiert, Sizzurp- und Gras-Konsum thematisiert und seine Hood Harlem repräsentiert. Ein äußerst starkes Werk, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei nur um ein Mixtape handelt und dies die erste größere Veröffentlichung des jungen Herren ist.


2. Prinz Pi - Rebell Ohne Grund

Man könnte eine Menge Kritikpunkte aufzählen: eine einheitliche Stimmung oder Atmosphäre gibt es nicht, die Features können (traditionell) nur selten überzeugen, die Grenze zum Kitsch wird hin und wieder überschritten und das Album ist zu lang. Abseits davon gibt es allerdings das eingängige "Virus" mit Pixies-Sample, eine der besten letztjährigen Deutsch-Rap-Hooks in "Du Bist", mit "Laura" die grandiose Verarbeitung des Selbstmords einer Exfreundin, Hits und Hymnen wie "Der Rand" und "Marathon Mann" und weitere Highlights. "Rebell Ohne Grund" steht dem Ausspruch "Das Ganze ist größer als die Summe seiner Teile" konträr gegenüber, lief aber trotzdem am häufigsten von alle Alben 2011 bei mir.


1. Morlockk Dilemma - Circus Maximus

Dass der Leipziger zu den besten seines Faches gehört, hat er mit jeder seiner Veröffentlichungen bestätigt und spätestens jetzt sollte es unumstößlich sein. Kaum jemand verbindet so gekonnt Untergrundattitüde und aggressiven Flow mit solchem Storytelling und Wortgewandheit. Egal in welches Terrain er sich begibt, er weiß zu überzeugen. So schlüpft er in die Rolle des Misanthropen, der nach einem großen Massensterben "freie Fahrt von der Ostsee bis zur Adria" hat, degradiert Rapper zur "Vorsuppe", mimt den erlösenden Messias, thematisiert das Schicksal des Galgenbergs uvm. Diese ganzen Geschichten und Szenarien werden untermalt von grandiosen Beats, die zusammen mit den Lyrics wissen, wie man ein Kopfkino erzeugt. Nur selten hört man solch gelungene Adaptionen von literarischen Themen und Stilen, wie wenn er z.B. in "Der Baum" zusammen mit Hiob eine moderne Sage erzählt und sich in "Die Röhre" von Kurt Vonnegut inspirieren lässt.

Montag, 9. Januar 2012

Letztes Jahr, dieses Jahr usw. (Editorial)

Liebe Leser,

wie ihr sicher gemerkt habt, kam die letzte Folge von den Weihnachtstipps doch nicht mehr. Warum? Es gab einfach nichts mehr, was ich wirklich erwähnenswert finde. Es gibt da ein She&Him-Album und eins von Smith and Burrows und dann kann man unter diesem Link noch ein paar Einzelsongs herunterladen. Weihnachten ist aber jetzt wirklich mal vorbei und jetzt sind wir im neuen Jahr und das heisst ab morgen kommen endlich unsere Jahresbestenlisten! Und dann geht erstmal unser Normalbetrieb los, wenn wir denn wissen, was wir reviewen werden. Hoffentlich wird dieses Jahr wieder so produktiv wie letztes Jahr und noch ein bisschen erfolgreicher.

Frohes Neues nochmal und viel Spass beim Weiterlesen,
Leon.