
Dass das in einem heillosen Chaos ausartet, dürfte jetzt nach der Beschreibung schon jedem klar sein. Wie gut es aber ist, erkennt man erst nach mehreren Hördurchgängen, weil man dieses ganze Album erst in Ansätzen begreifen kann, wenn man es wieder und wieder und wieder und wieder hört; wenn man die Songs beginnt aufzuschlüsseln; wenn man sich nicht mehr so wundert wie in dem Moment, in dem man die Songs der 2. Hälfte zum ersten Mal hört, sondern Zeit hat um Spaß beim Hören zu haben und die Energie zu spüren. Denn ohne das kommt man durch die letzten 4 Songs nicht. Viel zu oft passiert z.B. im Closer, dem 13-minütigen „Authentic Pyrrhic Remission“, nämlich einfach das, was man auch nach dem 20. Mal immer noch nicht erwartet, weil auch die Refrains nie einfach so mit der gleichen Melodie wiederholt werden. Aber: das fesselt dann so wie diese 70er-Jahre-Krautrock-Alben, die man zwar nie ganz versteht und trotzdem immer wieder hören will.
Das seltsame daran ist aber, dass das Intellektuelle hier so hinter Pop und Hooks (mehrere pro Song) versteckt, dass der NeoProg, den Barnes scheinbar für sich entdeckt hat, nicht nervt und auch nicht so klingt als würde er jetzt bewusst „den Hörer fordern“. Man hat bei dem Funk- und Pop-Lehrer Barnes einfach Freude am Unterricht und will höchstens mal in die Pause, weil er mit der übermotivierten Spielzeit von knapp einer Stunde wirklich übertreibt und mit den Noise-Attacken, die statt einer Viertelstunde nur 5 Minuten gebraucht hätten. Dass er das mit der Soundcollage beherrscht ist nämlich nach dem einzigen Instrumental „Exorcistic Breeding Knife“ schon klar - auch wenn es mit 8 Minuten Spielzeit an sich schon zu viel des Guten ist.
Zum Glück sind die Ausflüge in andere Extreme wie in den Quasi-Folk von „Malefic Dowery“ oder den abgehobene Psychedlic-Jam in „Ye, Renew The Plaintiff“ nicht so lang und immer gepaart mit den offenherzigsten Texten der letzten 5 Jahre Bandgeschichte. Da muss wohl wieder eine Ehe gerettet werden wie damals bei „Hissing Fauna…“, denn anders sind Zeilen wie “Other people can say there is a true belief system/ But all my life I've been betrayed by my mother's religion/ Too much bitterness” gar nicht zu erklären, die so einen tiefen Eindruck in Barnes‘ Bild vom Leben, der Religion, der Liebe und allem bieten. Man wünscht ihm das natürlich nicht, aber für Texte, die so viel Nähe zum Künstler aufbauen, brauchen viele nun mal eine problematische Lebenslage.
Also gute Besserung, Kevin… Mit diesem Album sollte es aber eigentlich nicht mehr so schwierig sein das alles wieder einzurenken – das haben schließlich auch schon andere geschafft, denen „Paralytic Stalks“ in nichts nachsteht.
8/10 Punkte (Tendenz aufwärts)
erstellt von Leon.
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