Freitag, 10. Februar 2012

Kettcar – Zwischen den Runden (Review)

Nachdem Sylt sich noch die größten Feinde ausgesucht hat und dabei seinen eigenen Weg gegangen ist, ist „Zwischen den Runden“ jetzt die Kehrtwende. Kettcar geben sich im ganz alten Sinne romantisch und unpolitisch und zeigen, dass es auch inmitten der größten Krisen noch Wichtigeres gibt als Wirtschaft, Politik und Schulden. Hier wird ganz direkt über das Leben gesungen und über den Tod, die Liebe, die Sehnsucht danach und die Überforderung im Kleinen. Ganz Hamburger Schule. Wäre das alles nicht in so versöhnliche Töne von Akustikgitarre, Klavier, Holzbläsern und Streichern gebettet, dann wäre es Blues – so traurig ist der Grundton der Musik und so gut gesetzt ist dieser letzter Funke Hoffnung in einigen Liedern.

Los geht das mit „Rettung“, das wohl die größte Liebesgeschichte auf diesem Album hier ist und auf euphorischen Bläsern beschreibt wie eine Bekanntschaft und „die Liebe meines Lebens“ von der Party nach Hause geschleppt wird um ihr dann zärtlich die Brocken aus den Haaren zu pulen. Auch „Im Club“ spricht nochmal Hoffnung zu und macht das so direkt wie kein Kettcar-Song es je zuvor gemacht hat. Alle „stolzen Versager in sterbenden Städten“ und „vergessenen Denker“ sollen zusammenkommen und Kettcar zelebrieren die Gemeinschaft auch wenn sie versagt. Das macht zwar Mut, ist aber trotzdem alles andere als optimistisch. Alles, was darauf kommt, zeugt von Resignation oder bloßer Überforderung. Das heißt nicht nur, dass wie in „Kommt ein Mann in die Bar“ ein Mädchen mit gebrochenem Herzen am Glücksspielautomaten stehend rät doch einfach aufzuhören zu hoffen, die Mütter die Mäuse für die Schlangen der Kinder füttern und alles andere im Leben immer absurder wird – und all das überhaupt nicht witzig ist ohne jemanden an seiner Seite. Nein, selbst im Liebeslied „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ ist der Protagonist ohnmächtig und kann nicht ausdrücken, was er will ohne immer wieder nach den Geigen zu rufen…

Die Musik dazu ist tatsächlich nicht viel mehr als „die Musik dazu“. Immer gibt es Geigen, Bläser und Klavier, die alles noch melancholischer machen oder wie in „In deinen Armen“ einfach nur im Lounge-Stil die Stimme unterstützen. Das ist zwar nicht schlecht so, aber klingt manchmal so sehr nach übertriebenem Pop und Schlager-Pathos, dass man sich mehr Momente wie in „Schrilles, buntes Hamburg“ wünscht, das mit seinen E-Gitarren und dem kleinen Extratupfer Elektronik speziell an Sylt aber auch an frühere Alben erinnert. Hier wird sogar die Hoffnung einmal liegen lassen und die totale Ablehnung sorgt im Refrain dafür, dass sich der Slogan „Es muss immer komplett verwertet werden, wenn es komplett verwertet werden kann“ tief ins Gehirn einstampft.

Das Gesamterlebnis „Zwischen den Runden“ tröpfelt zwar so geschmeidig aus den Lautsprechern wie noch nie bei Kettcar und zeigt bei all seiner Melancholie doch immer diesen letzte Ausweg und nimmt in den Arm, aber die großen Momente haben sie ganz spärlich gesäht. An die Songs kann man sich zwar erinnern aber wenige reißen wirklich mit. Gleichzeitig ist aber der Text eigentlich darauf ausgelegt sofort zu treffen, schaffen das aber nicht immer. Stundenlanges interpretieren ist bei Kettcar nicht mehr angesagt 2012, aber diese tiefere Ebene fehlt jetzt.

6-7/10 Punkte


erstellt von Leon.

1 Kommentar:

  1. Ich war schon immer großer Fan von Kettcar, aber "Zwischen den Runden" fand ich auch nicht so toll.
    6/10

    Review: http://begbiemusic.blogspot.com/2012/02/review-kettcar-zwischen-den-runden.html

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